INHALT
Seminararbeiten zur Ökologiegeschichte
Abano 2025 = Peter Abano: Urbane Landwirtschaft im Vergleich. Geschichte, Chancen und Risiken. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Brack 2024 = Christian Brack: Ackerbau und Viehzucht im Römischen Britannien. BA-Proseminararbeit, Sommersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Brack 2025 = Christian Brack: Die Macht des urbanen Raums. Antiocheia und die nordsyrische Tetrapolis. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Bulut 2025 = Sibel Bulut: Zwischen Stadt und Land: Peri-urbane Räume in Wien und Rom. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Darnai 2024 = Jacob Christian Darnai: Die Verknüpfungen der Landwirtschaft und der Imkerei von der Industrialisierung bis heute. BA-Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Darnai 2025 = Jacob Christian Darnai: Urbaner Lärm seit der Industrialisierung: Eine ökologiehistorische Untersuchung. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Deinhammer 2024 = Tristan Paul Deinhammer: Die Geschichte der Forstwirtschaft und deren Einfluss auf die Biodiversität im Ökosystem Wald. Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Demirci 2025 = Kübra Demirci: Natur und Macht in der Stadt. Ein kulturhistorischer Vergleich zwischen Wien und Istanbul im 17. und 18. Jahrhundert. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Edlinger 2025 = Karl Edlinger: Vom Acker zur vertikalen Stadtfarm. Landwirtschaft im Umbruch durch Umweltkrisen, Urban Farming und neue Naturbilder. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Elias 2025 = Martin Elias: Ästuare als Konflikträume: Eine Untersuchung des Seine-Ästuars im Kontext europäischer und nationaler Klimapolitik. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Fournier 2025 = Marvin Fournier: Eine Stadt im Versinken. Mexico City und seine ökologischen Herausforderungen. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Gerhalter 2023 = Peter Gerhalter: Historische Entwicklung der Allmende zu heutigen Agrargemeinschaften, Weidegenossenschaften und Urban-Gardening. Proseminararbeit, Sommersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2023 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Hasenberger 2025 = Daniel Hasenberger: Die Seestadt Aspern: Herausforderungen der Bodenversiegelung. Eine Feldbeobachtung am Beispiel der Sonnenallee Teilabschnitt Eins. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Hausegger 2017 = Sebastian Hausegger: Der Kartoffelkönig und seine Kartoffelbefehle. Friedrich II. und der Kartoffelanbau in Preußen. Seminararbeit, Sommersemester 2017 | Universität Wien: Wien 2017 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Helbock 2024 = Theresa Helbock: Die Tiroler Jagd. Eine Entwicklungsgeschichte. BA-Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Herkommer 2025 = Emily Herkommer: Koloniale Urbanisierung und ihre Folgen. Die Entwicklung des Großraums Nairobi aus einer umwelt- und soziohistorischen Perspektive. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Gottfried Liedl: Ergänzender Kommentar zur postkolonialen Situation - das Beispiel der Bahnlinie Mombasa-Nairobi.
Hopfner 2023 = Sophie Hopfner: Die Entwicklung der Alpwirtschaft im Bregenzerwald von 1986 bis 2022. Proseminararbeit, Sommersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2023 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Humer 2023 = Johanna Humer: Umweltzerstörung in Ecuador – welche Rechte hat die Natur? Auswirkungen auf den Schutz und die Zerstörung der Natur durch die Erhebung zum Rechtssubjekt. Proseminararbeit, Wintersemester 2022 | Universität Wien: Wien 2023 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Inzinger 2025 = Stephanie Inzinger: Die Funktion und der Schutz des Wienerwaldes im urbanen Biom des industriellen Zeitalters. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Kainz 2024 = Karsten Kainz: Naturschutz im Wandel der Zeit. Die Entstehung und Entwicklung österreichischer Nationalparks. Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Kloiber 2025 = Michael Kloiber: Ein Ende des Strebens nach Kapitalakkumulation? Eine Theorie des ‚postmodernen Welt-Systems‘ und der ‚grünen Urbanisierung‘ durch Postwachstum und Urban Commons. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Krauss 2025 = Alexander Krauss: Politikgeschichte, Umweltgeschichte, Anthropozän: Die Donau als geschichtswissenschaftliches Methodenlaboratorium. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Lieberth 2025 = Rebekka Lieberth: Mensch, Umwelt und Verstädterung im Mittelalter: Wechselwirkungen zwischen Naturraum, Kulturlandschaft und Stadtentwicklung. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Mari 2025 = Lisa-Kristina Mari: Grünflächen bei Kirchen und Klöstern in Wien. Ihre Entstehung, ihr Wandel und ihr Einfluss auf das Stadtklima. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Meiringer 2025 = Michael Meiringer: Die Industrialisierung des Verkehrs: Wie die Veränderungen des Verkehrssystems von 1800 bis 1914 das Stadtbild Wiens prägten. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Miertl 2018 = Angelika Miertl: Die Auswirkungen der Kartoffelbefehle Friedrichs II. Gezeigt anhand von Lexikon- und Kochbucheinträgen aus Preußen und den umliegenden Ländern. Seminararbeit, Wintersemester 2017 | Universität Wien: Wien 2018 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Mitzka 2025 = Lukas Mitzka: Die Müllkrise in Kampanien. Wie die Camorra die Abfallwirtschaft kontrolliert und die Stadt in der Krise hält. Ursachen, Auswirkungen und Lösungsansätze. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Muhr 2025 = Wesley Muhr: 15 Minuten Städte. Ursprünge, Entwicklung und Herausforderungen in der urbanen Umsetzung. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Müller 2024 = Paul Müller: Solidarische Landwirtschaft. Ein Vergleich von Theorie und Praxis einer alternativen Wirtschaftsform in der Lebensmittelversorgung. Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Nowak 2025 = Olimpia Rozalia Nowak: Die beinahe Ausrottung des amerikanischen Bisons und die Auswirkungen auf das Ökosystem der Great Plains. – Die Rolle der Industrialisierung, sowie urbane Perspektiven zu Natur- und Tierschutz. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Olgun 2025 = Zeynep Olgun: Wirtschaftsmacht und Umweltbelastung: Der Aufstieg globaler Städte und ihre ökologischen Herausforderungen. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Paluselli 2024 = Valentin Paluselli: Wie wurde Pflanzenschutz in deutschen Kolonien in Afrika betrieben und organisiert und wie war er am kolonialen Projekt beteiligt? BA-Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Paluselli 2025 = Valentin Paluselli: Ökologie(n) von Malaria, Umweltdiskurse und Herrschaft in Dar es Salam 1894-1915. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Prochaska 2025 = Tara Sofie Prochaska: Koloniale Landschaften. Umwelt und Urbanität in Algerien. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Rana 2025 = Irina Bintharana Rana: Von der Kolonialzeit bis zur Globalisierung: Dynamiken der Stadt-Land-Transformation und ihre ökologischen und sozialen Auswirkungen seit 1492. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Reichelsdorfer 2023 = Andreas Reichelsdorfer: „Frontier“ und „Destiny“: Fortschrittsnarrative im Kontext der US-Westexpansion im 19. Jahrhundert. Proseminararbeit, Wintersemester 2022 | Universität Wien: Wien 2023 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Reinthaler 2024 = Marcel Reinthaler: Lebens- und Jagdweisen der Trapper und Jäger der Hudson`s Bay Company in Nordamerika um 1800-1900. BA-Proseminararbeit, Wintersemester 2023 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Ruiz Cordon 2025 = Antonio Ernesto Ruiz Cordon: Von Mexiko-Tenochtitlan zu Mexiko-Stadt. Soziale und ökologische Kosten einer kolonialen Metropole. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Sauer 2023 = Tobias Sauer: Die Entwicklung des wissenschaftlichen Bilds von der Domestikation des Dromedars. Proseminararbeit, Wintersemester 2022 | Universität Wien: Wien 2023 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Schadler-Hopfer 2025 = Selin Schadler-Hopfer: Der europäische Wald als Arbeitsplatz, Machtsymbol und Freizeitpark – Industrialisierung, Urbanisierung, Globalisierung und die Wälder. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Schiendorfer 2025 = Caspar Franz Schiendorfer: Kapitalismus und Nachhaltigkeit im Widerspruch? BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Schmölz 2024 = Alicia Schmölz: Lebensstile und Effekte auf die Umwelt im Nachkriegsösterreich. Ein historisch-ökologischer Vergleich. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Shanker 2025 = Kaya Paula Shanker: Mauerbauer. Diskursive und materielle Auswirkungen fortifizierter Grenzen. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Tuncer 2025 = Zekeriya Tuncer: Wien als Beispiel eines gelungenen urbanen Ökosystems – Die Tierwelt Wiens über die Zeit hinweg. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2024 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Weingartner 2025 = Simon Weingartner: Die Energiebasis der Industrialisierung: Wie sich Kohle in der Frühphase des kapitalistischen Weltsystems durchsetzen konnte – am Beispiel der (Textil-) Industrie im Großraum Wien. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Winter 2023 = Elias Winter: Sundays for Future. Naturschutz im Hochmittelalter – Eine Spurensuche in religiösen Texten. Proseminararbeit, Wintersemester 2022 | Universität Wien: Wien 2023 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Wörishofer 2025a = Duarte Darius Wörishofer: Blutige Federn, goldener Mais: Die Ökonomie der Calpulli und des Tributsystems von Tenochtitlán. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Wörishofer 2025b = Duarte Darius Wörishofer: Tawantinsuyu: Von der Wildnis zum imperialen Netzwerk. BA-Seminararbeit, Sommersemester 2025 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Zeinzinger 2025 = Lukas Zeinzinger: Landwirtschaft in der Millionenmetropole Wien. BA-Seminararbeit, Wintersemester 2024 | Universität Wien: Wien 2025 [Unveröffentlichtes Typoskript]
Eigene Beiträge
In eigener Sache … Da ich seit den 1990-er Jahren regelmäßig publiziere, und weil von diesen Publikationen einige Sachen, vor allem die älteren, mittlerweile vergriffen sind, sei hier, nach Themengebieten geordnet, eine Auswahl aus meiner Publikationsliste gegeben. Wo dies möglich ist, wird der interessierten Leserin, dem interessierten Leser auch der Online-Zugriff auf ganze Aufsätze oder Ausschnitte aus Publikationen geboten. Abgerundet wird das Angebot durch die eine oder andere Rezension ...
Arabistik, Islamgeschichte.
Al-Hamra'. Zur Geschichte der spanisch-arabischen Renaissance in Granada, 2 Bände: Band 1: Al-Hamra'. Zur Geschichte der spanisch-arabischen Renaissance in Granada. Wien – Berlin: Turia und Kant, 1990; Band 2: Dokumente der Araber in Spanien. Wien: Turia und Kant, 1993.
Confrontation and Interchange. The Spanish-Arab 'Frontera' at the Beginning of the Modern Age (1232-1492). In: Virginia Guedea | Jaime E.Rodriguez (Hg.): Five Centuries of Mexican History (Proceedings of the VIII Conference of Mexican and North American Historians). Mexico – Irvine (Calif.) 1992, 15–26.
Die Schule des Feindes. Zur spanisch-islamischen Kultur der Grenze, 3 Bände: Band 1, Recht. Wien: Turia und Kant, 1997. Band 2, Krieg: Krieg als Intrige. Kulturelle Aspekte der Grenze und die militärische Revolution der frühen Neuzeit. Wien: Turia und Kant, 1999. Band 3, Ökonomie: Auf dem Weg in die Neuzeit. Zur spanisch-arabischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. 2 Halbbände. Wien: Turia und Kant, 2005.
Halbband 1: Im Labor der Moderne
Halbband 2: Kleine Ökonomie – große Ökonomie
Mediterraner Islam, 2 Halbbände. Wien: Turia und Kant, 2007.
Halbband 1: Renaissancen; Halbband 2: Moderne Charaktere.
Die islamische Welt bis 1517. Wirtschaft. Gesellschaft. Staat (mit Peter Feldbauer). Wien: Mandelbaum Verlag, 2008.
Fragmentierung und Rekonstruktion. Die westliche islamische Welt (mit Peter Feldbauer). In: Thomas Ertl | Michael Limberger (Hg.): Die Welt 1250-1500. Wien: Mandelbaum Verlag, 2009, 175–215.
Granada. Ein europäisches Emirat an der Schwelle zur Neuzeit. Islamische Renaissancen – Teil 2. Wien: LIT Verlag, 2020.
Seide, Zobel und Gelehrte. Zentralasien 900–1200: Handelsdrehscheibe und Kulturknoten (mit Peter Feldbauer). Wien: Mandelbaum Verlag, 2024.
Kulturgeschichte und Philosophie.
Der Palast, der ein Land ist. Überlegungen zum Grundriß der Alhambra. In: Alfons Hug | Haus der Kulturen der Welt (Hg.): Die Rote Burg. Zehn künstlerische Positionen zur Alhambra. Berlin – Milano: Skira Editore, 1995, 21–37.
El nacimiento de la modernidad desde el espíritu del poder: Consideraciones filosófico-culturales en torno a la Reconquista. In: Beiträge zur historischen Sozialkunde, „The Islamic World and Europe during the Age of Crusades“. Jg., Sondernummer | Special Issue (Wien 1998), 43–51.
Im Zeichen der Kanone. Islamisch-christlicher Kulturtransfer am Beginn der Neuzeit (hgg. mit Manfred Pittioni und Thomas Kolnberger). Wien: Mandelbaum Verlag, 2002.
Der Zorn des Achill. Europas militärische Kultur – Konfrontation und Austausch (als Herausgeber). Wien: Turia und Kant, 2004.
Eigensinn als historische Kategorie. Stichworte zu einer „arabischen Nation“ in Europa. In: Gottfried Liedl | Katharina Kuffner: Das Ende einer Epoche. Drei Studien zu Andalusien in der frühen Neuzeit. Wien: Turia und Kant, 2005, 7–58.
Privatleben und Öffentlichkeit. Ein Tableau und sieben Bilder zur andalusischen Frühmoderne (Hommage an Rachel Arié) . In: Gottfried Liedl | Katharina Kuffner: Das Ende einer Epoche. Drei Studien zu Andalusien in der frühen Neuzeit. Wien: Turia und Kant, 2005, 87–191.
Übersetzungen zwischen den Kulturen im Spanien der Reconquista. In: Sigrid Weigel | Daniel Weidner (Hg.): Figuren des Europäischen. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, 2006, 23–41.
Krieg der Worte, Intrige der Zeichen. Diplomatische Korrespondenz der Araber Spaniens im 14. Jahrhundert. In: Tobias Nanz | Bernhard Siegert (Hg.): Ex machina. Beiträge zur Geschichte der Kulturtechniken. Weimar: VDG. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, 2006, 263–278.
Zwei Aufsätze zur Modernismusfrage in der Militärgeschichte
Die Politik des Harems. In: Tobias Nanz | Armin Schäfer (Hg.): Kulturtechniken des Barock. Zehn Versuche. Berlin: Kulturverlag Kadmos, 2012, 107–123.
Das iberische Modell. Minoritätenpolitik zwischen Mittelalter und Neuzeit. In: Thomas Ertl (Hg.): Erzwungene Exile. Umsiedlung und Vertreibung in der Vormoderne (500 bis 1850). Frankfurt – New York: Campus Verlag, 2017, 131–157.
Geschichte der Méditerranée.
Mediterraner Kolonialismus. Expansion und Kulturaustausch im Mittelalter (Sammelband, hgg. mit Peter Feldbauer und John Morrissey). Essen: Magnus Verlag, 2005.
Zwei Aufsätze zur islamischen Seefahrt (Mittelalter und Frühe Neuzeit)
Venedig 800-1600. Die Serenissima als Weltmacht (mit Peter Feldbauer und John Morrissey). Wien: Mandelbaum Verlag, 2010.
Das mediterrane Europa – von den mittelalterlichen Anfängen bis zur Gegenwart. In: Thomas Ertl | Andrea Komlosy | Hans-Jürgen Puhle (Hg.): Europa als Weltregion. Zentrum. Modell oder Provinz? Wien: New Academic Press, 2014, 152–165.
Sozial-, Wirtschafts- und Globalgeschichte.
Die andere Seite der Reconquista: Islamisch Spanien im Wirtschaftsraum des Spätmittelalters. In: Peter Feldbauer | Gottfried Liedl | John Morrissey (Hg.): Vom Mittelmeer zum Atlantik. Die mittelalterlichen Anfänge der europäischen Expansion (Sammelband). München: R.Oldenbourg Verlag, 2001, 103–138.
Vernunft und Utopie. Die Méditerranée (1350-1650). In: Peter Feldbauer | Jean-Paul Lehners (Hg.): Globalgeschichte. Die Welt im 16. Jahrhundert. Wien | Essen: Mandelbaum Verlag | Magnus Verlag, 2008, 116–151.
1250-1620. ‚Archaische‘ Globalisierung? (Mit Peter Feldbauer). In: Peter Feldbauer | Gerald Hödl | Jean-Paul Lehners (Hg.): Rhythmen der Globalisierung. Expansion und Kontraktion zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert. Wien: Mandelbaum Verlag, 2009, 17–54.
Konjunkturen und Verflechtungen. Die westliche islamische Welt: Ökonomie (mit Peter Feldbauer). In: Peter Feldbauer | Angela Schottenhammer (Hg.): Die Welt 1000–1250. Wien: Mandelbaum Verlag, 2009, 175–215.
Faszinosum Fernhandel (Einbegleitung). In: Peter Feldbauer: At-Tiğāra. Handel und Kaufmannskapital in der islamischen Welt des 7.–13. Jahrhunderts. Wien: Mandelbaum Verlag, 2019, 7–29.
Ökologiegeschichte.
Al-Filāha – Islamische Landwirtschaft (mit Peter Feldbauer). Wien: Mandelbaum Verlag, 2017.
Der Islam und seine nomadischen Träger: Koranische Naturethik, Pflanze und Tier im Denken der Eliten. In: Religionen unterwegs, 25. Jg. Nr. 1 (März 2019), 4–16.
Das Zeitalter des Menschen. Eine Ökologiegeschichte. Wien – Berlin: Turia und Kant, 2022.
Der Mensch ist ein Beutegreifer. Unzeitgemäßes zur Ökologie. Ein Essay. (Ökologiegeschichte. Reader zum interdisziplinären Gebrauch, Band 4) Wien – Berlin: Turia und Kant, 2025.
REIHE ZUR ÖKOLOGIEGESCHICHTE
Ökologiegeschichte. Reader zum interdisziplinären Gebrauch. Herausgeberinnen und Herausgeber: Gottfried Liedl (geschäftsführend), Patrick Bichler, Miriam Feichtinger, Michael Marcus Kellerer, Michael Kloiber, Manuel Micic, Christina Obermayer, Astrid Rieger, Katrin Rupp.
Bisher erschienen:
BAND 1 - Gottfried Liedl: KONTUREN. Das Anthropozoikum.
Eine stark erweiterte Neuauflage erschien 2022 unter dem Titel 'Das Zeitalter des Menschen. Eine Ökologiegeschichte'.
BAND 2 - Gottfried Liedl | Manfred Rosenberger (Hg.): ZEITEN UND RÄUME.
2.1 - Zivilisationen,
2.2 - Naturdinge, Kulturtechniken,
BAND 3 - Gottfried Liedl | Patrick Bichler | Michael Kloiber (Hg.): ÖKOLOGIE DER STADT. Wiener Stadtplanung und urbane Umweltpolitik im Vergleich.
Rezension:
BAND 4 - Gottfried Liedl: DER MENSCH IST EIN BEUTEGREIFER. Unzeitgemäßes zur Ökologie. Ein Essay.
Ausgewählte Einzelbeiträge des Autors aus der o.a. Reihe:
1. Born to be urban – Europas Paradiesvögel (mit Melanie Smetacek). In: Gottfried Liedl | Manfred Rosenberger (Hg.): Ökologiegeschichte. Band 2: Zeiten und Räume. Teilband 2.2: Naturdinge, Kulturtechniken. Wien: Turia und Kant, 2017, 140–181.
2. Stadt. Land. Ökologiegeschichte am Beispiel einer Millionenstadt. In: Gottfried Liedl | Patrick Bichler | Michael Kloiber (Hg.): Ökologie der Stadt. Wiener Stadtplanung und urbane Umweltpolitik im Vergleich. Wien - Berlin: Turia und Kant, 2024, 67–84.
Lehre 2011-2025.
Themen 2011-2025.
Ökologiegeschichte Online. Die Herausgeberinnen und Herausgeber dieser neuen Reihe – Historiker*innen, aber auch Kolleg*innen aus den geisters- und naturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen – haben es sich zum Ziel gesetzt, in zwangloser Abfolge mehrmals jährlich Beiträge aus dem Bereich der Ökohistorie erscheinen zu lassen. In Sammelbänden oder Monographien werden Themen aus dem weiten Feld der Beziehungsgeschichte von Mensch und Natur, Stadt und Land, Tier-, Pflanzen-, Landschaftsschutz, Gemein- oder Privateigentum zur Sprache kommen; wird die Geschichte der Landschaft, des Waldes, der Grüngürtel, Schutzgebiete und Parks erzählt: von A wie Agrargeschichte bis Z wie Zonaler Umweltschutz.
Band 1 dieser Reihe ist soeben erschienen.
Gottfried Liedl: Der Mensch ist ein Beutegreifer. Unzeitgemäßes zur Ökologie.
Aus dem Inhalt:
I. NATURSCHUTZ – EINE KURZE GESCHICHTE? EINE LANGE GESCHICHTE? California dreaming. Die Anfänge der Grünbewegung. – Die 70-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Und eine Reise in den Sudan. –
II. DIE GROSSE ZERSTÖRUNG – ODER VOM NUTZEN DER NATUR. Arten sterben. – Welt-Allmenden. – Zivilgesellschaft und ‚westliche‘ Errungenschaften. – LANDWIRTSCHAFT. – Eine andere Geschichte der Landwirtschaft. – Agrargenies des Mittelalters. – EXPANSION, EUROPÄISIERUNG DER WELT. – Botanische Weltenbummler: Pflanzen & Weltsysteme. – Das Drama der Entwaldung. – Neue Fülle in Europas Wäldern. – Lob der Bäume. – Forstwirtschaftliches Intermezzo: Brasilianisches Fallbeispiel & Terra Preta. –
III. ÖKOLOGIE ALS WISSENSCHAFT UND IDEOLOGIE. – Ein spanischer Alfred Brehm – Félix Rodríguez de la Fuente. – Kulturgut Böser Wolf – oder Sind Förster die besseren Bauern? – Wir wollen sie nicht …! Umweltpolitische Retrospektiven – oder Das Böse in der Natur. – Wie schädlich ist ‚schädlich‘? Noch einmal Noxious Wildlife. – Ist der Naturschutz vielleicht schon tot – und weiß es nur noch nicht?
Mehr zum Thema in meinem Blog.
Die Reihe Ökologiegeschichte online versteht sich als Pendant zur gleichnamigen, seit 2017 im Verlag Turia & Kant erscheinenden Reihe:
Ökologiegeschichte. Reader zum interdisziplinären Gebrauch. Herausgeberinnen und Herausgeber: Gottfried Liedl (geschäftsführend), Patrick Bichler, Nóra Engelputzeder, Julia Ertl, Miriam Feichtinger, Michael Marcus Kellerer, Michael Kloiber, Manuel Micic, Christina Obermayer, Astrid Rieger, Katrin Rupp.
Bisher erschienen:
BAND 1 - Gottfried Liedl: KONTUREN. Das Anthropozoikum.
Eine stark erweiterte Neuauflage erschien 2022 unter dem Titel 'Das Zeitalter des Menschen. Eine Ökologiegeschichte'.
BAND 2 - Gottfried Liedl | Manfred Rosenberger (Hg.): ZEITEN UND RÄUME.
2.1 - Zivilisationen, LINK
2.2 - Naturdinge, Kulturtechniken, LINK
BAND 3 - Gottfried Liedl | Patrick Bichler | Michael Kloiber (Hg.): ÖKOLOGIE DER STADT. Wiener Stadtplanung und urbane Umweltpolitik im Vergleich,
Rezension:
BAND 4 - Gottfried Liedl: DER MENSCH IST EIN BEUTEGREIFER. Unzeitgemäßes zur Ökologie. Ein Essay.
Im Sommer ist man viel im Freien. Da geht man wandern. Da sieht man Kornfelder. Und Kühe auf der Alm: „Natur pur.“ Könnte man meinen. Wäre da nicht die lästige Stimme der Wissenschaft – selbst wenn es nur das dünne Stimmchen der Umweltgeschichte ist. „Der Verlust fruchtbarer Böden ist ein uraltes Problem. Schon vor knapp 4.000 Jahren erodierte durch Ackerbau und Weidewirtschaft in den Alpen mehr Boden, als sich neu bilden konnte“ (science.ORF.at).* Nicht gerade ein Gütesiegel für Homo sapiens und seinen Umgang mit Mutter Natur …
Homo sapiens bringt zuwege, was andere nicht können. In den französischen Alpen gibt es einen See, den man geradezu als Archiv des Anthropozäns bezeichnen könnte. „Anthropozän – ist das nicht das vom Menschen geprägte Zeitalter, wo Natur in Kultur übergeht?“ (Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon | Netzeintrag).** – „So könnte man sagen. Wobei ich selbst ja eine Definition bevorzuge, die ‚das Zeitalter des Menschen‘ (so die wörtliche Übersetzung) dort beginnen lässt, wo sich mit naturwissenschaftlichen Methoden Umweltveränderungen nachweisen lassen, die augenscheinlich nur von einer ganz besonderen Spezies verursacht worden sein konnten – von Homo sapiens.“ – „Zumal ja auch andere Tiere ihre Spuren in der Umwelt zu hinterlassen pflegen, vor allem große Herbivoren wie die Elefanten in Afrika oder die riesigen Wanderherden der Gnus, wenn sie dafür sorgen, dass das Grasland offen bleibt und nicht von Büschen und Bäumen überwuchert und zugewachsen wird. Oder auch – Tempi passati – die Abermillionen von Bisons, als sie noch frei über die Prärien Nordamerikas streifen durften.“ – „Exakt. Was jedoch von all diesen – nennen wir sie der Einfachheit halber ‚natürlichen‘ Veränderungen – die Spuren unterscheidet, die der Mensch hinterlässt, ist die indirekte Art ihres Zustandekommens, mit Hilfe von Werkzeugen.“
Es gibt da jenen See in den französischen Alpen, den Lac du Bourget. „Der mit seinen knapp 45 Quadratkilometer größte natürliche See innerhalb Frankreichs wird sowohl von Flüssen aus dem Tiefland gespeist als auch von Gletscherwasser aus dem Massiv des Mont Blanc.“ Er ist deshalb „ein ideales natürliches Labor“ (science.ORF.at).* Was sich aus der Sediment-Analyse ergibt, ist die großflächige Abtragung natürlich gewachsener Böden, die durch klimatische Einflüsse allein nicht erklärt werden kann. „Diese folgenschweren Eingriffe begannen vor etwa 3.800 Jahren. Um Hirten das Wandern mit ihren Tierherden im Gebirge zu erleichtern, begannen Menschen vermutlich schon damals hochliegende Wälder zu roden und almenartige Landschaften anzulegen. [… Der wirkmächtigste Eingriff jedoch] begann zur Zeit der spätrömischen Antike und dauert bis heute an. Diese Periode ist gekennzeichnet durch immer effizientere landwirtschaftliche Techniken wie etwa Pflüge, die einst von Nutztieren und heutzutage von Traktoren gezogen werden. [… In diesem Zeitraum] dünnten Menschen landwirtschaftlich genützte Böden so stark aus, dass ihr Zustand wieder jenem ihrer Entstehung vor rund 10.000 Jahren entsprach – also der ersten Periode nach dem sukzessiven Rückzug der einst ausgedehnten Vergletscherung in den Alpen. Der Beginn der landwirtschaftlichen Aktivitäten störte das Gleichgewicht zwischen Bodenbildung und Erosion, was zu Erosionsraten führte, die drei- bis zehnmal Mal schneller waren als die Bodenproduktion seit dem Ende der Eiszeit.“ Die Untersuchung der Sedimente auf pflanzliche und tierische DNA im Vergleich mit anderen Regionen welweit führte schließlich zu Ergebnissen, die nur einen Schluss zulassen: „Dass die durch Menschen beschleunigte Bodenerosion ein globales Phänomen darstellt“ (ebd.).*
Feuer, Huf & Pflug. Der Prozess, worin Homo sapiens die Bodenbedeckung und Bodenstruktur seines Lebensraums künstlich veränderte, hat Ausmaße erreicht, wie das keiner noch so riesigen Herde von Gras liebenden Pflanzenfressern je gelang noch gelingen wird. Er dauert nun schon Jahrtausende an. Hier die Kurzversion:
- Erste Etappe: das Jäger-Sammler-Stadium. Des Menschen Hauptwerkzeug zur Umweltgestaltung ist das Feuer. Dessen Wirkung – die Öffnung der Landschaft, deren Klimax-Vegetation nun Gräser und Kräuter bilden.
- Zweite Etappe: Ackerbau und Viehzucht mit den ‚Umweltwerkzeugen‘ Huf und Pflug. Deren Wirkung kann sich sehen lassen – nackte Böden, erodiert und degradiert. Anders gesagt: Böden, deren Humusbildungs-Bilanz negativ ist.
- Dritte Etappe: die Industrielle Revolution mit ihrem wohlsortierten Werzeugkasten: Emissionen und Immissionen haben eine Klima beeinflussende Wirkung, der Chemismus im Boden und in bodennahen Schichten verändert sich, auf direkte oder indirekte Weise kommt es zu Ressourcenvernichtung und Artenschwund, zu Wasser- und Luftverschmutzung, zur negativen Beeinflussung der Wasserkreisläufe und Grundwasserreserven. Die Liste ist lang und bedrückend.

Versuchungen und Versuche: Umweltgeschichte im Schnelldurchlauf. Mit den drei Etappen werkzeuggestützter Umweltgestaltung nach Art des Hauses geht eine erstaunliche Beschleunigung einher. Wie denn auch nicht? Während sich die Herden der Herbivoren größenmäßig immer wieder einpendeln, gilt das für den Allesfresser Mensch nur sehr bedingt. Sein wirkmächtigstes Werkzeug ist er letzten Endes selbst: die Spezies ist ein demographisches Phänomen, das mit jeder Umweltkrise größer wird. In Phase eins ein ziemlich dünn gesätes Volk von Beutegreifern, hat man sich schon in Phase zwei zum vermehrungsfreudigen Vegetarier gemausert, „der sich auch noch dann und wann einen Braten gönnen kann“ (frei nach Witwe Bolte © Wilhelm Busch). Im Ernst: Während ein tendenziell stets zu geringer Wildbestand das Bevölkerungswachstum der davon Lebenden definitiv im Rahmen hält, erlauben Ackerbau und Viehzucht demographische Höhenflüge – und führen erstmals (Kehrseite der Medaille) zu handfesten Umweltkrisen.
Drei Gegenstrategien hat der Mensch parat: Obst- und Gartenbau unter künstlicher Bewässerung samt Düngung; nomadisierend-kriegerische Territorienbildung; und last not least die sogenannte Waldwirtschaft. Diese drei Formen agrarischer Nutzung (teils mehr dem Reich der Flora, teils mehr der Fauna zugeneigt) trugen das Gütesiegel einer gewissen – so darf man wohl sagen – Nachhaltigkeit. Wäre da nicht die leidige Getreidefrage – genauer gesagt Bodenfrage unter dem Doppelaspekt Pflug und Monokultur. Schon in der Antike nahm man weite Gebiete rund um das Mittelmeer unter den Pflug. Auf den Latifundien der Römer in Sizilien und Afrika wich der mediterrane Wald endlosen Getreidefeldern – zum Wohle der Oligarchie und einer nach Kornspenden gierenden Plebs. Nicht besser erging es ein halbes Jahrtausend später den Wäldern West- und Mitteleuropas: auch sie verschwanden und machten den Lieblingspflanzen einer feudalen Agrargesellschaft Platz: dem Hafer, dem Weizen, dem Roggen.
Die alpine Viehwirtschaft ist vielleicht ein Sonderfall. Vielleicht. Dem Plus – der Düngung durch Rinder und Schafe – stehen in der Bodenfrage zwei Minus entgegen: indirekt die Bergheugewinnung für den Winter, die lässt sich bilanztechnisch als ersatzloser Abgang vegetabilischer Masse lesen (denn diese steht als Basis für neuen Humus nicht mehr zur Verfügung); und direkt als Schädigung des Bodens durch Viehtritt (Aufreißen der Grasnarbe bis zur Verkahlung, Verfestigung des Terrains), was besonders an Steilhängen die Erosion begünstigt und beschleunigt. Wozu als dritte Imponderabilie das Klima kommt (für das der Mensch wenigstens im Mittelalter noch nichts kann. Oder doch? Soll denn die Entwaldung riesiger Gebiete gar keinen Einfluss auf das Wettergeschehen gehabt haben? Auf eine Veränderung zumindest des lokalen Mikroklimas?) Wie dem auch sei: Hungersnöte und Ernährungskrisen haben das Geheimnis der negativen Humusbilanz ungeniert ausgeplaudert.
Bliebe noch Phase drei (das Zeitalter der Industrialisierung). Nun ja, sagen wir so: über diese – unsere Gegenwart – breitet man am besten den Mantel des Schweigens.
Fazit und Abgesang. Um nochmals auf meine ‚naturwissenschaftlich inspirierte‘ Abbreviatur des Anthropozäns zurück zu kommen: Eine ‚Umweltspur‘ ist dann menschgemacht, wenn sie allein mit den Gesetzen der Natur nicht erklärt werden kann. Oder anders formuliert: Wenn unter strikter Anwendung der Naturgesetze – sozusagen rein als Naturgeschichte gelesen – die Veränderung auf der Zeitachse so stark von dem abweicht, was theoretisch, von den Gesetzen der Natur her, zu erwarten gewesen wäre, dass – wenn man nicht die Hand Gottes bemühen möchte – nur die Hand des Menschen bleibt.
Dadurch, so könnte man schlussfolgern, zwängt sich ein Quäntchen Freiheit in den Spalt. Im Gegensatz zum Dilemma, im Angesicht der Natur und ihrer unhintergehbaren Gesetze sich zwischen Natur oder Kultur dichotomisch entscheiden zu müssen, bestünde also Hoffnung – Kants auf zunehmende Erkenntnisfähigkeit sprich ‚Mündigkeit‘ des Menschen zielende Spekulation.
Oder, nicht ganz so optimistisch sondern eher skeptisch betrachtet – ein Sich-Annähern an die Umwelt vulgo Natur mit jenem bisschen Witz und Weisheit, das einen zuversichtlich stimmt … und dann ratlos zurücklässt. „Na also. Geht doch. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.“
Darf man hoffen? Als Nachtrag zu diesem Anthropozän-Befund wäre vielleicht anzumerken, dass die ,Spur des Menschen' nicht immer und überall NUR von Übergriffen gegen Mutter Erde erzählt, bisweilen scheinen Abkömmlinge der Leitspezies (und man fragt sich dann allenfalls: aus welcher Laune heraus) der "Magna Mater" sogar ein wenig unter die Arme gegriffen zu haben. Siehe etwa die famose Terra preta im Amazonasbecken, jene eindeutig von Menschen gemachte - also 'künstlich' entstandene - fruchtbare schwarze Erde, die sich deutlich von den alles andere als humusreichen 'natürlichen' Böden des Amazonasgebiets unterscheidet.
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* science.ORF.at:
** Gabler Wirtschaftslexikon:
Der du mit dem Flammenspeere | Meiner Seele Eis zerteilt, | Dass sie brausend nun zum Meere | Ihrer höchsten Hoffnung eilt: | Heller stets und stets gesunder, | Frei im liebevollsten Muss: – | Also preist sie deine Wunder, | Schönster Januarius! (Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft)
Gespräch beim Weine. „Jeder Mann und jede Frau hat das Recht, als handelndes Subjekt der Geschichte angesehen zu werden und ist des Erinnerns würdig.“ Dass dieses Postulat so spät und eigentlich auch heute noch nicht wirklich eingelöst wurde, hat man den Historikern und Historikerinnen zur Last gelegt. Freilich handelt es sich dabei nur um eine – wenn auch bezeichnende – Mitschuld. Jahrtausende mussten vergehen, bis der Menschheit so etwas wie ein Problembewusstsein dämmerte: dass da mit der Überlieferung etwas nicht stimmen könne, wenn sie sich bloß auf einen Bruchteil der den Planeten Erde bevölkernden Wesen bezieht.
„Du sprichst ein großes Wort gelassen aus: ‚Die den Planeten bevölkernden Wesen‘ ... Das hieße demnach, dass die Überlieferung – also das In-Wert-Setzen vor der Geschichte – bei Männern und Frauen vulgo ‚Menschen‘ nicht stehen bleiben dürfte; dass auch Andere: Kinder, Tiere, Pflanzen … vielleicht sogar die Berge und Meere, die Luft, das Feuer, Regen und Wind und was sonst noch den Planeten Erde ausmacht (und wovon die Shintoisten und Zen-Buddhisten schon immer überzeugt waren, dass sie ‚die Seele‘ besagter Welt bilden), jener Überlieferung und dieser Wertschätzung würdig seien.“
Gut gebrüllt, Löwe. Was hier aber gleich dazugesagt werden muss: Wie das Wort ‚Subjekt‘ – „Unterworfenes“ – klar zum Ausdruck bringt, gehen mit der Würde einer solchen Geschichtsmächtigkeit jede Menge Beschwerlichkeiten einher, allen voran das Ärgernis, für die Vergangenheit, also für den Inhalt der Archive des Erinnerns, verantwortlich zu sein. Was die Frage aufwirft, ob man auch Kindern, Tieren, Pflanzen, Bergen, Meeren etc. „die Schuld geben“ kann für das, was an Unerquicklichem (Kriege, Hungersnöte, Seuchen, Mord & Totschlag sowie alle möglichen Niedergänge und Niederlagen) von den Geschichtsschreibern mit überliefert zu werden pflegt, wenn es darum geht, das weniger Unerquickliche glänzen zu lassen. Ist das erlaubt? Buddhisten, Shintoisten und Naturanbeter beantworten diese Frage gerne mit dem Werbeslogan einer Lebensmittelkette: „Ja, natürlich!“
Subjekt, „unterworfen“ zu sein, bezieht sich nach dieser Lesart auf eine Verantwortung. Verantwortung für das Schöne & Gute ebenso wie für die dunkleren Seiten der Geschichte. „Das hat was,“ sagt ihr … und denkt vielleicht an die antike Moira, das Schicksal, dem nicht zu entrinnen sei. Nietzsche nannte es „Ewige Wiederkehr“. Den Religionen wiederum – wenn wir von Animismus & Co. mal kurz absehen – ist dieser Fall bekanntlich ganze Bibeln und Korane wert. Gebote und Verbote, die religiösen wie die der säkularen Welt, zielen auf den Gordischen Knoten einer Verantwortung von Mann, Frau, Kind, Tier, Pflanze ... für Mann, Frau, Kind, Tier, Pflanze. Das kann als Ärgernis aufgefasst werden oder als Aufgabe.
„Frei im liebevollsten Muss ...“ – Eine weder Ausnahmen noch Entschuldigungen duldende Verantwortung (Kants Kategorischer Imperativ) erzeugt Haltung. Im antiken Sprachgebrauch wäre das freilich wieder Moira … „Du wiederholst dich!“ – „Ja. Das unentrinnbare Schicksal, Nietzsches zielloses Spiel des Seienden mit sich selbst.“ – „Große Worte. Ich bezweifle, dass man das auf Seiten des Menschen eine Haltung nennen kann.“ – „Dann eben eine Weltanschauung. Wiederum nietzscheanisch geredet und gedacht: die Welt – jedenfalls die Welt der Menschen – ein Ort, wo die Rechte den Pflichten unversöhnlich gegenüberstehen. Immer noch der Kategorische Imperativ, aber als ein unmöglich zu befolgender.“ – Der Philosoph, mit schwer zu deutendem Gesichtsausdruck, nimmt einen tiefen Schluck.
„Was aber ist dann ‚Geschichte‘?“„Das kann ich dir sagen, mein Freund. Geschichte, wie ich sie verstehe, ist die Summe aller Reaktionen von die Erde bevölkernden Wesen auf andere die Erde bevölkernde Wesen. Das Ziel ist also jedesmal die Darstellung eines Ganzen.“
„Nur dass dieses Ziel noch nie erreicht wurde.“
„Du sagst es, mein Freund. Du sagst es.“
Siehe dazu auch BLOG # 15 vom 2. Januar 2023: „Lob der Bäume“
Als wir noch jung waren – in den 80-ern des vorigen Jahrhunderts –, waren Utopien von einer besseren Welt im Schwange, deren Verwirklichung man sich auch als kleines Rädchen – also im ganz persönlichen persuit of happiness, der naiven Suche nach Glück – irgendwie zutrauen mochte. Ohne Gefahr zu laufen, der gesellschaftlichen Lächerlichkeit, ja Marginalisierung anheimzufallen.
Obwohl – nun ja: Pioniere des Umweltschutzgedankens waren auch im letzten Drittel des Zwanzigsten Jahrhunderts eine eklatante Minderheit und wurden – Beispiel: der ‚Öko-Prinz‘ Charles, heute King Charles III., damals ewiger Thronfolger – in der britischen, notorisch boshaften, notorisch Konsumgesellschafts-hörigen Mainstream-Presse ordentlich ridikülisiert. Und auch im traditionell eher romantisch-naturbewegten Mitteleuropa standen die Ampeln für den Natur- und Umweltschutz auf Gelb, nein: Rot. Heute wird man vielleicht betonen, dass die Anfänge einer Grünbewegung nirgendwo stärker, lebendiger, intellektuell durchschlagskräftiger und personell besser aufgestellt waren, als, sagen wir, in den medial präsenten Teilen einer aufmüpfigen jungen Zivilgesellschaft der damaligen Bundesrepublik Deutschland – aber erstens finden dergleichen historische Würdigungen gemeinhin unter dem Vergrößerungsglas des Verallgemeinerns statt … und zweitens ist man im Nachhinein immer klüger.
Dennoch – verdienstvoll waren und bleiben sie schon, jene frühen Äußerungen einer Natur-affinen, Konsum-kritischen Intelligentsija, die das gesellschaftliche Ganze so in den Blick zu nehmen vermochte, dass es schließlich nicht nur ökonomisch sondern auch biologisch-ökologisch definiert war.
Pioniere und New Romancer. „Die Sache mit der Jagd“ nannte sich eine pointiert jagdkritische Publikation,* die auf Horst Sterns populäre deutsche Fernsehserie der 1970-er Jahre („Sterns Stunde“) Bezug nahm. Daran wurde weit über den eigentlichen Gegenstand hinaus im Namen einer ökologisch sensiblen, politisch aufgeklärten Öffentlichkeit Kritik an den zeitgenössischen respektive mit dem Label ‚modern-fortschrittlich‘ versehehen Formen der Naturnutzung geübt. „Unterm Strich blieben gravierende Zweifel an der Privatisierung von Naturgütern zu Lasten einer von dieser Nutzung ausgeschlossenen Zivilgesellschaft.“
So würde das ein Öko-Intellektueller heute vielleicht ausdrücken. Damals formulierte man natürlich nicht weniger intellektuell, wiewohl ein wenig ‚optimistischer‘, man könnte auch sagen: naiver … nämlich sozusagen ohne Hintergedanken: an das Gute im Menschen appellierend. In einer Biographie heißt es über den Pionier des ‚populären‘ Tier-, Natur- und Umweltschutzes im deutschsprachigen Raum recht zutreffend (wie mir scheint): „Sterns Thema war die Mensch-Tier-Beziehung, die er von der sentimentalen auf eine rationale, aber keineswegs gefühllose Ebene zu bringen versuchte.“**
Die Gründung der „Gruppe Ökologie“ 1972 (Horst Stern zusammen mit Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann und Josef H. Reichholf), gedacht als Protestbewegung gegen mangelndes ökologisches Bewusstsein der Industriegesellschaft, noch mehr aber die Gründung des „Bundes für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) 1975, zusammen mit Bernhard Grzimek, Hubert Weinzierl und anderen Umweltschützern, steht für diese – Achtung, ‚paradoxal-kalauerhafte‘ Formulierung – „proto-postmoderne“ Wende in der medialen, das heißt politisch wirksam sein wollenden Darstellung und Auffassung von ‚Natur‘; ein Aufruf zum Paradigmenwechsel hinsichtlich des Schutzes, vor allem aber hinsichtlich der Nutzung besagter ‚Natur‘. Ein Novum im Deutschland der Nachkriegszeit, also in einer der Leitfiguren westlicher Industriegesellschaften nach 1945. Gleichsam als dessen Symbol wurde 1980 von Horst Stern eine Zeitschrift mit hohen Ansprüchen gegründet – er gab ihr den lakonischen Titel NATUR.
Erwartungen, Ambitionen. Es war auch die Ära bemerkenswerter und bemerkenswert populärer Dokumentarfilme über Tier, Pflanze, Mensch … von Grzimek und Sielmann in Deutschland bis Rodríguez de la Fuente in Spanien. Genau dort begann für meine Lebensbegleiterin und mich das ökologische Abenteuer Gestalt anzunehmen, nachdem es sich jahrelang eher diffus als Reiselust oder in der Errichtung eines Damwildgatters manifestiert hatte: Ein Aufforstungs- und Renaturierungsprojekt im andalusischen Hinterland, wie es der Zeitgeist forderte, aber auch förderte.* Erwartungshaltung und Optimismus einer ins Naturverträgliche gewendeten Fortschrittsgläubigkeit – so könnte man unsere damalige Verfasstheit beschreiben, eine psychologische Neigung, welche die gesellschaftliche Utopie der 1970-er, 1980-er Jahre verblüffend genau wiedergab, nämlich jenen Glauben an die Machbarkeit des ökologisch-ökonomischen Wohlergehens im Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur. Dass es, wie man nicht müde wurde zu betonen, „fünf vor zwölf“ sei, tat der Utopie keinen Abbruch, im Gegenteil: es erhöhte den Reiz.

Die Finca Los Gamos – © G. Liedl
Im Kleinen wie im Großen war man der festen Überzeugung, dass die mit Elan, Einfallsreichtum und Zuversicht angestrebte Verfassung der Welt, ein Zustand von Bienestar (Wohlergehen), worin eine sich neu definierende ökologische Sensibilität zwischen Mensch, Tier und Pflanze, Boden, Luft, Feuer, Wasser (um auch der antiken Auffassung von den vier Elementen Rechnung zu tragen) die Balance halten würde. Kurz, man erweckte den Eindruck, dass dieser glückliche Zustand mit Händen zu greifen, ja fast schon erreicht war. This is the dawning of the age of Aquarius, age of Aquarius – Aquarius! sangen die Hippies und Althippies.**
Abgesang. Heute, nach einem weiteren halben Jahrhundert, ist, so scheint es, in die Aufbruchsstimmung mit ihrer zivilisatorischen Sendung, in die zum Greifen nahe Freundschaft aller Weltbürger (von der Mikrobe bis zu Homo sapiens) der Katzenjammer eingekehrt. Unpoetisch, nüchtern und skeptisch ausgedrückt, lautet das Fazit des Wassermann-Zeitalters so: „Klimaziele eklatant verfehlt, Landschaften zerstört, Wälder in Flammen, abgeholzt, vernichtet, Artenvielfalt on the brink …“ An der nicht vorhandenen Liebe zur Natur ist ja schon deswegen nicht zu zweifeln, weil sie der von Anfang an fehlenden Liebe des Menschen zum Menschen entspringt. Anders gesagt (und wieder ein wenig ‚poetisch‘): Wenn der Mensch dem Menschen ein Wolf ist (Homo homini lupus), ist er das natürlich auch für den Wolf. Zumal selbst Wölfe, wie die Naturgeschichte neuerdings lehrt, einander unter bestimmten Voraussetzungen ziemlich – menschlich begegnen. Also sehr unfreundlich.
„Wie das halt von Superprädatoren nicht anders zu erwarten ist,“ sagt der neue, ganz unwassermännische Zeitgeist.
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* Literatur:
Heribert Kalchreuter: Die Sache mit der Jagd. Pro und contra. München – Bern – Wien 1977
Heribert Kalchreuter: Die Sache mit der Jagd. Perspektiven für die Zukunft des Waidwerks. Stuttgart 2003
Monica Tomaschek: Eine Finca in Andalusien. Der lange Weg zum Garten Eden. MyMorawa: Wien 2022
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** Links:
„Die Natur leidet unter multiplem Organversagen ...“. Auf der Fahrt durch die sonnenverbrannte Landschaft Südandalusiens habe ich mich mit meinem spanischen Botanikerfreund auf ein Gespräch über die Folgen des Klimawandels eingelassen. „Wir werden gerade Zeuge, wie die Spirale der Evolution eine weitere Drehung vollführt“, setze ich, nicht ohne eine gewisse Theatralik, zu meiner eigenen Spirale an.
„Feinstaub- und schadstoffbelastete Luft, chemisch verseuchte Böden, dazu die Trockenheit bei steigenden Temperaturen, sinkende Grundwasserspiegel - vom Ausbleiben der Regenfälle im gewohnten Rhythmus der Jahreszeiten ganz zu schweigen - , all das setzt den Lebewesen gehörig zu ... und ganz besonders den Pflanzen, deren Widerstandskräfte schwinden, sodass sie Schädlingen, Krankheiten, Seuchen zum Opfer fallen. Wer erinnert sich nicht des massiven Ölbaumsterbens in Südeuropa - dem in Apulien, auf den Balearen und in der spanischen Levante Millionen dieser wunderbaren Bäume zum Opfer fielen?“
Ölbaumsterben - Bekämpfungsmaßnahmen (ein Beispiel):
Wie groß ist die Resilienz? Nachdenkliche Antwort des Botanikers: „Höchste Zeit, dass man versucht, sich ein Gesamtbild zu machen - und zwar ganz pragmatisch.“ ---- „Pragmatisch?“ ---- „Indem wir uns einen ersten, grob gerasterten Überblick verschaffen und eine Liste aufstellen: Welche Arten in welcher Weise mit den alten oder neuen Stressfaktoren umzugehen verstehen. Wobei wir vorerst annehmen wollen, dass der wichtigste Auslöser des 'Multiorganversagens', wie du es nennst, oder wie ich sagen würde: der Motor jener evolutionären Beschleunigung der Klimawandel ist. Der sich im globalen Süden - von Kalifornien bis Südafrika, von unserer geliebten Méditerranée bis nach Australien - als zunehmende Austrocknung der Landschaften geltend macht.“ ---- „Wenn ich dich recht verstehe, sollten wir also die Regeln der Evolution auf den Ist-Zustand der Vegetation anwenden (in unserem Fall ist es die mediterrane) und unter dem Gesichtspunkt der Fitness eine Rangordnung aufstellen: Wie die Vegetation mit den Auswirkungen des Klimawandels mehr oder weniger gut zurecht kommt.“ ---- „Nun, vielleicht nicht gleich die Vegetation als ganze (was schon wegen der schieren Größe des Untersuchungsgegenstands unsere Mittel und Möglichkeiten rasch erschöpfen würde) ... aber wenigstens die auffälligsten Vertreter besagter Vegetation, die Bäume, sollten wir uns ansehen. Und das in einer repräsentativen Umgebung, die wir beide gut genug kennen, um daraus unsere Schlüsse zu ziehen: die Landschaft, durch die wir gerade fahren.“
Die Liste der Bäume. Versuch einer Resilienz-Abschätzung, gewonnen aus persönlicher Anschauung.
Allgemein gesagt, finden sich in dieser Rubrik besonders viele Neophyten (Arten, die aus nicht-europäischen Gebieten stammen), nämlich:
An ‚einheimischen‘ Arten zeigen hohe bis sehr hohe Resilienz:
2. Arten mit lediglich mittlerer bzw. uneinheitlicher Resilienz (sehr standortabhängig):
3. Arten mit schwacher bis sehr schwacher Resilienz (ebenfalls standortabhängig):
In Darwins Labor: Ökologie auf dem Prüfstand. Prinzipiell ist anzumerken, dass einheimische immergrüne Baumarten wie Stein- oder Korkeichen schlechter abschneiden als ihre laubwerfenden nahen Verwandten (so heißt es von der Steineiche, Quercus ilex, dass sie „wirklich empfindlich auf Trockenheit reagiert“, während etwa die Trauben-Eichen, die sogar nördlich der Alpen vorkommen, zwar „empfindlicher gegen Nässe [...], gleichzeitig aber auch trockenheitsresistenter [sind]“. Ebenso schneiden Nadelgehölze (z.B. die an und für sich als robust geltende Aleppo-Kiefer, Pinus halepensis), aber auch Palmen unerwartet schlecht ab. Hitze- und Dürrestress führt bei ihnen besonders häufig zur Schwächung des Immunsystems, zu vermehrtem Schädlingsbefall, zu diversen bakteriellen und Viruserkrankungen.
Weiterführende Texte und Links:
Dagegen scheinen Neophyten - aus subtropisch-trockenen Herkunftsgebieten - sowie laubwerfende einheimische Spezies mit Hitze- und Trockenheitsstress besser zurechtzukommen. Alles in allem scheinen der mediterranen Landschaft große Verschiebungen der Vegetationszonen und innerhalb dieser Zonen merkliche Veränderungen der Artenzusammensetzung bevorzustehen. Dürreschäden, Seuchen und Schädlingsbefall werden vor allem unter Monokultur-ähnlichen Verhältnissen zunehmen (z.B. in Aufforstungsgebieten mit nur wenigen Arten oder in den großen landwirtschaftlichen Monokulturen und Plantagen). Generell wird es in weiten Teilen der Mittelmeerwelt zu Ernterückgang, ja totalem Ernteausfall kommen. Als Hoffnungsgebiete für die bedrohte ‚einheimische‘ Pflanzenwelt der Méditerranée werden sich unter Umständen und bei weiter fortschreitender ‚Mediterraneisierung‘ des west- und zentraleuropäischen Klimas Gebiete nördlich und nordöstlich des Alpenhauptkammes, insbesondere die vom pannonischen Klima beeinflussten Zonen Osteuropas, aber auch die Regionen westlich und östlich der Rheinebene erweisen. Wenn die Anzeichen nicht trügen …
Ein paar Bilder sagen mehr als tausend Worte.

Bild oben: Mehrere unterschiedlich trockenheits- und dürreresistente mediterrane Baumarten; im Vordergrund drängt Wilder Ölbaum ins Bild - sehr widerstandsfähig! Im Hintergrund verschiedene Zypressen-Arten, von eher mittelmäßiger Dürreresistenz.
Bild unten: Im Vordergrund Grevillea robusta, die Australische Eiche, ein sehr resilienter Neubürger der Mittelmeerwelt; im Hintergrund eine eher weniger resiliente, dürre- und krankheitsanfällige einheimische Spezies: Cupressus sempervirens, die Mittelmeer-Zypresse.


Bild oben: Zustand einer Grevillea robusta (Herkunftsgebiet: Australien), in einem südspanischen Aufforstungsgebiet, nach dreijähriger Dürreperiode (2021-24) am Ende des Sommers.
Bild unten: Spätsommer in einem andalusischen Waldstück. Drei hitze- und dürreresistente Baumarten in Mischkultur: Trauben-Eiche, Quercus petraea (im Vordergrund), Persischer (Indischer) Flieder, Melia azedarach (im Mittelgrund), Silberpappel, Populus alba (im Hintergrund).


Trauben-Eiche, Quercus petraea, in einem südspanischen Arroyo (Trockental) nach dreijähriger Dürreperiode (2022-24) im Spätsommer.
Detailansicht (Blattwerk):

Bild unten: Junge Ölbäume der Sorte Manzanilla im Süden Spaniens - Situation am Ende des Sommers 2024, nach rund 3-jähriger Dürreperiode. Auf den folgenden Bildern ist der Zustand der Blätter zu sehen.



Bild unten: Die Japanische Mispel, Eriobotrya japonica, gedeiht nicht nur in großen Plantagen an der Küste, wo sie wegen ihrer süßen, für den Export recht gut geeigneten Früchte gezogen wird, sondern auch frei im Gelände, im trockenen Hinterland Andalusiens.


Peruanischer Pfefferbaum, Schinus molle.

Die Araukarie, Araucaria araucana, stattlich und klimafit.
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Was ich noch sagen wollte ... Leserinnen und Lesern dieses Blogs, sofern sie über einschlägige botanische Kenntnisse verfügen, wird vielleicht aufgefallen sein, was in der oben veröffentlichten Liste alles nicht erwähnt ist, so die Zitrusbäume, die Feigen, die Mandeln. Ein Argument könnte sein, dass man diese eher als Kultur- und Gartenpflanzen ansehen mag, die einer ständigen gärtnerischen Pflege, notabene Bewässerung bedürfen, womit sie für unsere Untersuchung gerade keine typischen Kandidaten wären.
Wobei das für den Mandelbaum, Prunus dulcis, natürlich nur bedingt gilt. Zumindest der gehörte noch auf die Liste - dort müsste er als relativ resilient in Gruppe 2 stehen. Wer jetzt, am Ende des Sommers, mit offenen Augen durchs Land fährt, wird bemerken, dass auf den Südhängen die Mandelbäume ganz entlaubt und, wenn man den andalusischen Bauern als den wahren Experten Glauben schenken darf, abgestorben sind. Also doch ein heikler Patron? Die Groß-Agrarier, z.B. in Kalifornien, sehen das wohl ähnlich - und bewässern ihn kräftig. Dass sie die Bäume auch noch fleißig spritzen und mit Kunstdünger auf Vordermann bringen, ist zwar vielleicht nicht die feine ökologische Art, passt aber gut ins Bild der Mandel als Pflanze des Agro-Business. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte ...
Dazu auch BLOG # 40 vom 22. März 2024: „In Bauernkriegen siegen selten die Bauern“; BLOG # 29 vom 5. Juli 2023: „Sind Förster die besseren Bauern? Bundesforste, Bär & Co“; BLOG # 23 vom 18. März 2023: „Sagt nicht 'Bauern' zu ihnen...“
Wenn man als Gradmesser von „Naturbelassenheit“ das Ausmaß und die Intensität menschlicher Eingriffe und landschaftlicher Veränderungen hernimmt (gegenüber einem denk- bzw. vorstellbaren Zustand, wie er sich – theoretisch – ohne Anwesenheit des Menschen herausgebildet haben würde), so stellt sich der von Deutschsprachigen bewohnte Alpenraum als erstaunlich, um nicht zu sagen erschreckend ÜBERAUSGEBEUTET heraus. Das schlägt sich nicht zuletzt in der Mentalität der lokalen Bevölkerung nieder, welche – und das ist historisch gut belegt – schon immer durch große Intoleranz gegenüber scheinbarer oder tatsächlicher Konkurrenz seitens der anderen, wild lebenden Nutzer der montanen oder submontanen Biotope aufgefallen ist. Besonders bezeichnend: der Hass und die Vernichtungswut dieser deutschsprachigen Bergbewohner gegenüber tierischen Beutegreifern (Adler, Wolf, Bär, Luchs), aber auch so harmlosen, ja nützlichen Mitlebewesen wie den Geiern, vom Jagdwild ganz zu schweigen (trauriges Beispiel: der von diesen Bergbewohnern ausgerottete Alpensteinbock).
Dagegen sind vergleichbare Landschaften, etwa des mediterranen Südens, aber auch die ebenfalls nicht von Deutschsprachigen besiedelten Balkanländer bzw. Länder Osteuropas erstaunlich „naturbelassen“ oder doch durch ziemlich naturverträgliche Nutzungsformen geprägt und ausgezeichnet, inklusive einer interessanten Koexistenz von Mensch und Beutegreifer. Deutlich wird der kulturelle oder sozusagen ethnische Aspekt dieser Unterschiede dort, wo der Alpenraum nicht von Angehörigen des, wie er genannt sei: mitteleuropäischen Kulturkreises sondern von Menschen besiedelt und genutzt wird, die der romanisch-mediterranen Zivilisation angehören. Um den hier gemeinten Zusammenhang plakativ herauszuarbeiten: Wo hatte sich der im übrigen Alpenbogen ausgerottete Steinbock denn erhalten? Im nordwestlichen Italien, oberhalb des romanisch-mediterran geprägten Aostatals, in einer hochalpinen Region, die den ebenso schönen wie passenden Namen „Gran Paradiso“ trägt...
Bösartige Kommentatoren könnten die Sache so darstellen, dass das Signum „deutscher Tüchtigkeit“ (und, wie Andere das Argument rassistisch ausweiten könnten, der „germanischen“ Mentalität) DIE ÜBERAUSGEBEUTETE NATUR IST.
Was ist diesen „Germanen“ im Lauf ihrer Geschichte zugestoßen, das so einschneidend, so prägend war, um aus barbarischen Naturanbetern manchmal fanatische, in jedem Falle aber fleißige Naturzerstörer zu machen? Die müde Antwort des aufgeklärten Philosophen: „Christentum und Feudalgesellschaft...“
„So lakonisch kann man das nicht stehen lassen!“ – „Sie haben recht. Das bedarf einer Erklärung. Wofür ich wohl ein wenig ausholen muss.“ – „Ihre Umwege kennen wir, daran sind wir schon gewöhnt. Holen Sie ruhig aus.“
Auf der Ebene des Individuums. Was es genauer anzusehen gilt, ist der Gegensatz von Arbeit unter Aufsicht und Arbeit in Eigenverantwortung. Es geht um den Begriff des Arbeitsstolzes, um das Ethos des hart Arbeitenden. Wo wir gleich einmal auf ein interessantes Faktum stoßen: Der Begriff „Schinderei“ kommt aus der alpinen Holzfällersprache und bezieht sich ursprünglich auf die Bearbeitung und Zurichtung gefällter Bäume ...
Nochmals der Gegensatz von Arbeit unter Aufsicht und Arbeit in Eigenverantwortung – wobei man auch die alpine Viehwirtschaft gleich ein wenig besser versteht. Nämlich insofern, als es dort schon immer eine Spannung gab zwischen (relativer) Freiheit und (indirekter) Kontrolle, letztere also verinnerlicht, als Selbstkontrolle, als sozusagen freiwillig auf sich genommene, stolz zur Schau getragene „Schinderei“.
Diese vielleicht aus dem System der Hörigkeit heraus ein wenig besser zu begreifende, fast schon romantische „Verherrlichung des Arbeitsleides im alpinen Selbstbild“ (wie man die Sache in zuspitzender Manier beschreiben könnte) überträgt soziale Verhältnisse auf die Beziehung zur Natur, welche dann vom arbeitenden Individuum vor allem als Ort der „Schinderei“ aufgefasst wurde, nicht als Ort freier Entfaltung; letzterer blieb – ganz ohne Romantik, als Prärogativ ihrer Macht – den Herrschenden vorbehalten. So wurden die Alm, die Alpe, der viel besungene „grüne Forst“ über ihre wirtschaftlichen Funktionen hinaus zum Schauplatz und Austragungsort einer sich gesellschaftspolitisch entladenden Spannung. „Auf der Alm, da gibt's koa Sünd“, dort, wo kein Pfarrer der Sennerin den Schatz madig macht, wo der Herzbube alias „Freischütz“ als folkloristischer Repräsentant der Menschenrechte auftritt...
Mit der Natur? Gegen die Natur? (Nicht) auf den Hund gekommen... Was die (feudale) Herrschaft und ihren prägenden Einfluss auf eine „Mentalität des Naturhasses“ betrifft, so hatten wir ja oben das Thema im Vorübergehen schon gestreift. Natur, wilde Natur ist eine Spielwiese der Herren, eingehegt von rigorosen Verboten und gekennzeichnet durch Entrechtung, Enteignung der einfachen Leute. Überall wird dem Landvolk der freie Zutritt zu den Naturschätzen erschwert, was ehemals Allmende war, Gemeineigentum, wird jetzt – ein Problem. Da schließt sich auch der Kreis zum Thema Neid oder, in naturkundlicher Diktion: zur Konkurrenz der Beutegreifer.
„Und was hat der Hund damit zu tun?“ – „Nicht wenig.“ Symptomatisch für den Hass der Landbevölkerung auf Wildschwein, Bär & Wolf (und auf die Hohen Herren als „Beschützer“ von Wildschwein, Bär & Wolf), ist das Unvermögen, Kompromisse mit der ungezähmten Natur zu schließen. Schuld daran ist ein nur oberflächlich betrachtet ‚kleines‘ Detail – wir sprechen immerhin vom wichtigsten Aspekt alpiner Landschaft, dem lieben Vieh und seinen menschlichen Begleiterinnen und Begleitern –, das Fehlen guter Herdenschutzhunde. Die Feudalherren hatten ihren Untertanen die Haltung dieser gefährlichen, weil wehrhaften Hunde genauso verboten wie das Tragen von Waffen! Damals wie heute gibt es weder in den Alpen noch im übrigen Zentraleuropa irgendeine nennenswerte Rasse echter Herdenschutzhunde, ganz im Gegensatz zu Osteuropa und der Méditerranée. Ohne Herdenschutzhunde – deren Zucht und Haltung nur auf Basis spezifischer fachlicher Kenntnisse und Traditionen erfolgreich ist, ganz zu schweigen von der Kostenfrage – gibt es aber keine naturnahe, naturverträgliche, die Existenz großer Beutegreifer einschließende Viehhaltung.
Die „Urprägung“. Nicht den unwichtigsten Beitrag zur Naturferne hat die Feudalordnung im Stadium ihrer Industrialisierung geleistet; die sie ja nur politisch nicht überlebte, denn wirtschaftlich hat die herrschende Klasse enorm von ihr profitiert. Mit diesem Aspekt bekam die mentale Prägung auf eine Kultur der Naturverachtung bei der Landbevölkerung ihren letzten Schliff. Der Geringschätzung trat jetzt verschärfend zur Seite ein KULT DER ÜBERAUSBEUTUNG, „Effizienz“ genannt. All das erfolgte auf Basis und vor dem Hintergrund einer noch viel allgemeineren „Umwertung der Werte“. Ereignet hatte sich diese Umwertung in den Tiefen der Zeit, lang vor der Apotheose des Feudalsystems. Die Verteufelung der Natur erfolgte nicht spontan und nicht allmählich, auch nicht bottom up sondern top down; im Zuge einer veritablen Kulturrevolution ist sie Germanen und anderen mitteleuropäischen Eingeborenen von christlichen Kolonisatoren aufs Aug gedrückt worden.
Naturliebe und ökologisches Problembewusstsein des regierenden Papstes (Franziskus, 1936 - 2025) wären vor 800, 900 oder 1000 Jahren auf blankes Unverständnis nicht nur der Schäfchen sondern auch ihrer Hirten gestoßen. Symbolisch geredet: In den Klöstern der die Wälder rodenden Zisterzienser war der Wolf kein Thema. Nur der heilige Franz von Assisi hat ihm eine Predigt gehalten. Wie mediterran.
Symbolisch geredet: „Die Schäfchen des heutigen Papstes sind gewiss klüger als jene, denen Zisterzienser Fleiß und Gehorsam predigten.“ – „Wer weiß? Vielleicht, wenn sie nicht beim Bauernbund sind ...?“ Symbolisch geredet, versteht sich.
PS zum Hass der Transalpinen (vom Süden aus gesehen) auf Wolf, Bär und Luchs … Vielleicht ist dieser „Hass“ bei den mediterranen Tierhaltern ja per se nicht geringer; vielleicht hat ja bloß die spezifische historische Lage, jene Kombination aus Agrarrevolution, Bevölkerungsexplosion und Überausbeutung der Wälder nördlich des Alpenhauptkamms dazu geführt, dass ein eingespieltes, labiles Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Naturnutzern gekippt ist … und sich besagter „Hass“ quasi als psychologischer Reflex auf die Zunahme des zwischenartlichen Stress herausgebildet hat.
Im „Süden“ waren die Wälder und vergleichbare andere Rückzugsgebiete der großen Beutegreifer viel weniger im Fokus einer Siedlungspolitik (ich sage aber nicht, dass sie weniger ausgebeutet wurden) - und der Clash of Civilizations hielt sich in Grenzen. Da konnten aber auch uralte Freiheitsrechte – etwa die Allmende einer unbeschränkten Jagdausübung – weiterhin genossen werden. Auch ein bezeichnender Unterschied zwischen „Norden“ und „Süden“ – das nur als Anmerkung.
Mit der Häufigkeit ungewollter, unangenehmer Kontakte zwischen den Konkurrenten Beutegreifer | Mensch steigt natürlich auch die psychologische Spannung. Noch anders gesagt: In vielen hundert Jahren (post-)neolithischer WALDWIRTSCHAFT hatte sich eine Convivencia zwischen Tier und Mensch eingespielt, die in der (hoch-)mittelalterlichen Agrarrevolution so rasch zerbrach, dass keinem der Beteiligten genügend Zeit blieb, sich umzustellen und in einen neuen Gleichgewichtszustand zu finden. Im Süden hingegen blieb das uralte, eingespielte Muster der Grauzonen und (halb)durchlässigen Grenzen zwischen AGER UND SALTUS intakt. Die tierischen und menschlichen „Fronterabewohner“ (Frontera ist die romanische Bezeichnung für eine durchlässige Grenze, eine Grauzone) hatten gelernt, miteinander auszukommen (oder hatten zumindest ausreichend Platz, einander aus dem Weg zu gehen). In so einer Konstellation machen Herdenschutzhunde freilich Sinn – womit wir auch dieses strittige Thema … sagen wir abgehakt hätten.
Zum Schluss ein Vorschlag zur Güte (wenn es denn einer ist). Wollen die Kollegen von den Gipfeln ihrer Alpenwelt vielleicht einen Blick zu den Nachbarn riskieren, vielleicht - gewagter Vorschlag - nach Deutschland, das schon länger "Wolfsland" ist? Wo man erfolgreich mit Schutzhunden arbeitet? Kleiner Teaser: "Wie's gemacht wird" zeigt eine Doku aus dem Netz (wenn man denn überhaupt wissen will, "wie's gemacht wird", woran der gelernte Alpine, die gelernte Innerösterreicherin möglicher Weise ihre Zweifel haben):
Dazu auch BLOG # 11 vom 2. Dezember 2022: „Lehren aus Sharm el-Sheikh – oder Wie man der Welt-Allmende wirklich helfen kann, Teil 2“
Als Liebhaber der mehrwertigen Logik bin ich von der folgenden Bemerkung fasziniert.
„Paradoxerweise ist die in der Wildnis nicht mehr vorkommende Säbelantilope die zweithäufigste in Zoos gehaltene Antilope; nur die Hirschziegenantilope ist noch häufiger vertreten. Insgesamt gibt es weltweit etwa 3.500 Tiere. […] Halbwilde Herden leben außerdem in Israel und auf der tunesischen Insel Djerba. Anfang 2012 gab es über 6.000 Säbelantilopen auf texanischen Jagd-Farmen“ (Eintrag ‚Säbelantilope‘ auf Biologie-seite.de).**
In Sachverhalten wie diesen offenbart sich nicht nur ein für die moderne Zivilgesellschaft typischer ‚Eigensinn‘ sondern die ganze evolutionäre Ambivalenz der Spezies Homo sapiens. Und zwar auf eine Weise, die, wie ich gerne zugebe, zu den eher sympathischen Spielarten des Dr.Jekyll-und-Mr.Hyde-Syndroms gehört. Kein Geringerer als Sigmund Freud hat uns die Beobachtung eines Kinderspiels mitgeteilt, das er „Fort – Da“ nannte. Dabei wird das Kind nicht müde, einen Gegenstand regelmäßig aus seinem Gesichtsfeld zu entfernen – ihn ‚unsichtbar‘ zu machen, ihn zum Verschwinden zu bringen –, nur um ihn genauso eifrig und geduldig, mit allen Anzeichen des Entzückens, wieder auftauchen, wieder erscheinen zu lassen. Ich finde, das ist auch ein schönes Bild, um das höchst eigenartige Verhalten des Menschen, das er den Reichtümern der Natur gegenüber einzunehmen pflegt, symbolisch darzustellen. Wie es scheint, bereitet es ihm ein – perverses? – Vergnügen, ja eine Art Genugtuung, 'aus dem Vollen zu schöpfen'; oder, weniger euphemistisch ausgedrückt: den Reichtum an Naturschätzen, wo immer er auf sie stößt, hemmungslos zu plündern ('Fort'). Aber dann gibt es auch noch jenes offenbar ebenfalls zur Condition humaine, zum Wesen des Menschen gehörende Bemühen, den allerdings meist nur mehr kläglichen Rest - - - genau, zu retten, zu (wie es so schön heißt) 'erhalten' (als ob das 'Erhalten' nicht genau darin bestanden hätte, auf das Plündern zu verzichten...).
Zerstörtes erhalten – zur Paradoxie einer ‚Rettung in letzter Minute‘. Wir haben hier also das seltsame Paradox einer Menschheit, die zuerst gedanken- und skrupellos vernichtet, was ihr der mit Naturgegenständen überreich gedeckte Tisch bietet, um dann die kümmerlichen Reste wie Pretiosen zu hüten und aufzubewahren und sie als meist schon tote, manchmal ‚gerade noch‘ am Leben gebliebene Reminiszenzen vergangenen Überflusses in allen möglichen Wunderkammern, Museen oder zoologischen Gärten auszustellen. Diesen doch einigermaßen verqueren und auf die Spitze getriebenen Symbolismus hat uns der Freud’sche Hinweis auf ein Kinderspiel, das exakt jene Bewegung des Wieder-Hervorholens eines zuvor mutwillig zum Verschwinden Gebrachten zum Gegenstand hat, in qualitativer Hinsicht oder triebökonomisch (wenn der Ausdruck gestattet ist) zu verorten erlaubt. Quantitativ, also bezüglich einer Ethik als Kalkül – beziehungsweise wenn es um die Frage geht, was warum wieviel wert ist – haben wir damit aber noch nicht sehr viel, um nicht zu sagen gar nichts gewonnen. Dieses Feld gilt es im folgenden zu beackern.
In einer solchen ethischen Wertlehre (nennen wir sie ruhig so) stößt man nämlich sofort wieder auf Paradoxien. Denn anders als im Reich der Natur, sei es bei der Nahrungsaufnahme oder anderen Vitalfunktionen, entspricht im Reich des Symbolisch-Ökonomischen nicht automatisch die größte Zahl auch dem höchsten Wert (so wie etwa die Länge des Lebens proportional ist zur Gesamtzahl der Schläge des Herzens). Nein. In der Welt des symbolisch-ökonomischen Wertens und Bewertens herrschen verkehrtproportionale Zustände. Was häufig ist, hat wenig Wert. Seltenes dagegen ist kostbar.
Das bereitet Freundinnen und Freunden der Natur Kopfzerbrechen. Wenn des Menschen Lieblingsbeute das jeweils Seltenste ist und er Objekte, die zu ihrer (Re-)Produktion die längste Zeit benötigen, besonders begehrt, dann fallen gerade die spektakulärsten Naturgegenstände wie Wale und tropische Urwaldriesen genau in diese Kategorie: „Ihre Bestände können sich nicht schnell genug regenerieren, um eine dauerhafte und zugleich lohnende kommerzielle Nutzung zu ermöglichen – doch ausgerechnet solche Arten sind besonders begehrt und ermöglichen hohe Profite. Denn obwohl die Ausrottung der Wale das Ende des Walfangs bedeutet, kann nach wirtschaftlicher Logik der Erlös eines heute erlegten Wals morgen auf der Bank liegen und Zinsen tragen, während ein Wal immer nur ein Wal bleibt“ (Atlas 1987, Seite 34; Zitat leicht verändert und gekürzt).*
Ob man, den kanonischen Texten der Psychologie folgend, die Triebausstattung der Spezies Homo sapiens als Ursache nimmt; oder ob man den Pferdefuß an einer nur im übertragenen Sinne ‚triebhaften‘ Figur entdeckt haben will, nämlich an der Figur des Homo oeconomicus (gewissen Denkern zufolge ist Ökonomie die ideale Verlängerung der Triebe des Menschen und das Kapital deren perfekte „Wunschmaschine“: Deleuze | Guattari 1979, Seite 7 ff.),* ist an und für sich nicht so wichtig. Am Ende zählt als Antithese der Triebe das Realitätsprinzip, begleitet vom politisch-ökonomischen, seltener moralisch-ökologischen Katzenjammer. Wenn die Wunschmaschine knirschend und krachend zum Stillstand gekommen ist, erweist sich jenes energisch-lustbetonte ‚Fort’ – anders als im Kinderspiel, wo es in der Gestalt eines periodisch zurückkehrenden, optimistischen ‚Da‘ wieder aufgehoben wird – als höchst unangenehme Karikatur seiner selbst: Es hat sich in ein trübes und trauriges ‚Nicht-mehr‘, besser gesagt in ein ‚Nicht-mehr-Da‘ verwandelt.
„Komm auf den Punkt ...“ – „Zu den Antilopen, die – nicht mehr – da sind?“ – „Ja. Zu diesen.“ Wovon er fasziniert war, das hat der Mensch schon immer nicht so sein zu lassen vermocht, wie es ihm entgegen kam. Dem Faszinosum beizukommen, das Geheimnis seiner Aura zu lüften, ist ihm dabei von höchster Wichtigkeit, weshalb er sich dem betreffenden Gegenstand zügig nähert; anders gesagt, er tritt ihm im Endeffekt fast immer zu nahe. Um im gewählten Bild zu bleiben: Diese Tabu-brechende Distanzverringerung ist das große ‚Da‘. Tiere wurden göttlich verehrt, wozu man ihrer habhaft werden musste, damit man sie später – das unvermeidliche Gegenstück zum ‚Da’, das ‚Fort‘ – Göttern opfern konnte. Der Domestikation geht die Zähmung voraus – aus sozusagen religösen Gründen. Schon damals war das Seltenste – man kann auch sagen: die Ausnahme von der Regel – am wertvollsten. Ein Wildtier zum Beispiel, das sich dem Menschen nähert, das den sich nähernden Menschen nicht flieht, ein 'Da'. Von dem man sich jedoch wieder zu trennen hatte, im Opfer: ein ‚Fort‘. Das Opfer ist den Göttern desto lieber, je kostbarer es ist. Und das Seltenste, das Einzigartige (vielleicht sogar der Letzte seiner Art) ist natürlich am kostbarsten. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
So kommt die gezähmte Antilope ins Spiel. Oder der domestizierte Wildstier, das zutrauliche Krokodil, der Ibis, die Katze, der Schakal, der Pavian, der Falke … Im Alten Ägypten lässt man sich die Fülle, die einen umgibt, im wahrsten Sinne des Wortes gefallen, macht man von den in großer Zahl die Wüsten und Steppen der Sahara, die Ufer des Nils und seine Sümpfe bewohnenden Arten physisch und psychisch reichlichen Gebrauch. Wir jedoch haben uns für die Antilopen entschieden, und bei diesen wollen wir bleiben.
Ma-hedj – „Das weiße Wüstentier“. Im Alten Ägypten kannte, verehrte und zähmte man im wesentlichen vier Arten von Antilopen: Kuhantilope (Alcelaphus buselaphus), Mendesantilope (Addax nasomaculatus), Weiße oder Arabische Oryx (Oryx leucoryx) und wenn man den Quellen und Zeugnissen, den erhalten gebliebenen Abbildungen und den Ergebnissen der Archäologie vertrauen kann besonders gern die Säbelantilope, Oryx dammah (Oryx algazel).

Säbelantilopen bei der Fütterung (altägyptisch) | © G.Liedl
Über die Säbelantilope lesen wir, dass sie „im Alten Ägypten zum Wüstenwild zählte und wegen der weißen Farbe als ‚göttliches Tier‘ galt.“** An dieser ‚Göttlichkeit‘ ist nicht zu zweifeln, findet man doch die ältesten Darstellungen dieser Antilope in der berühmten Weltkammer des Sonnenheiligtums von Niuserre (2455 bis 2420 v. Chr.), wo sie den ehrenvollen Beinamen Ma-hedj, „weißes Tier der Wüste“ trägt, wie ihre Hieroglyphe verrät:

Hieroglyphe der Säbelantilope | Quelle: Wikipedia
„Bestimmer des Schicksals“. Dass Oryx dammah eine zentrale Rolle in einem als „Weltkammer“ bezeichneten Kultraum (vgl. Edel 1961; Edel 1964; Edel | Wenig 1974; Helck 1980; Helck 1986)* spielt, einem magischen Zentralort des Sonnen- und Fruchtbarkeitszaubers, inmitten eines ausgedehnten Heiligtums – im „Lustort des Re“,** wie die Inschriften besagen –, unterstreicht ihre herausragende Bedeutung in der frühen Domestikationsgeschichte noch zusätzlich. Die Weltkammer zeigt Säbelantilopen inmitten anderer Wüstentiere, „die jedoch alle als Gemeinsamkeit die ‚Göttlichkeit‘ aufweisen und daher ‚keines Hirten bedürfen‘, sondern die ‚Bestimmer des Schicksals‘ sind“.** Keines Hirten zu bedürfen heißt im Umkehrschluss: seinen Weg selbst finden, ja Andere zu führen. Entscheidend für ihre Position als Anführerin von Lebewesen, die die Wüste bevölkern, und zugleich für ihre Rolle als numinoses Wesen im Fruchtbarkeitskult (was auf den ersten Blick paradox erscheint), sind die biologisch-ökologischen Besonderheiten dieser Spezies: „Als reines Wüstentier lebte die Säbelantilope einst von Mauretanien bis Ägypten in großen Herden, die bis zu tausend Tiere umfassen konnten. Innerhalb der Sahara wanderten sie weit umher und konnten mehrere Monate ohne Wasser überleben. […] In der ‚Weltkammer‘ werden die Zeitpunkte der Brunft (benut) und des Werfens (mesut) jeweils der altägyptischen Jahreszeit Schemu zugeordnet. […] Nach einer durchschnittlichen Tragzeit von 270 Tagen warf die Säbelantilope […] im Monat Renutet (Februar) ein einzelnes Junges [die Brunft fand im Monat Ipet-hemet, am Beginn der Jahreszeit Schemu statt, Setzzeit war an deren Ende, im Monat Renutet; Anm. G.L.]. Da die Monate Ipet-hemet sowie Renutet in der altägyptischen Jahreszeit Schemu lagen [in der dem Sonnengott Re geweihten Jahreszeit; Anm. G.L.], bestätigten sich die Datierungsangaben in den Inschriften der ‚Weltkammer‘“.**
Soviel zur Verbindung von Oryx dammah mit dem altägyptischen Sonnengott Re. Ein ganz wichtiger Aspekt – vielleicht sogar der wichtigste – erschließt sich aber aus der Klima- und Ökologiegeschichte. In der einst grünen Sahara, die ja nicht durchgehend, sondern nur jahreszeitlich grün war, fiel der Zeitpunkt, an dem die Kälber gesetzt wurden, mehr oder weniger mit der Regenzeit zusammen. Und noch etwas. Als in riesigen Herden lebendes Wildtier (zumindest dort, wo sie heute wieder vorkommt, etwa im Tschad)*** zeigt Oryx dammah lokale Regenfälle in der Wüste an, indem sie sich in Bewegung setzt und zielsicher dorthin wandert, wo das frische Gras sprießt. Denn sie ist in der Lage, Feuchtigkeit über große Distanzen zu wittern. Dass jenes derart gut an die Fährnisse und Notwendigkeiten des Wüstenlebens angepasste Tier für Menschen in und am Rande der Wüste (denn die Menschen Altägyptens waren sozusagen ‚erst vor kurzem‘ aus der ehemals grünen Sahara ins Niltal gezogen) als „Bestimmer des Schicksals“ galt, ist also logisch.

Gebärende Gazellen und Antilopen in der ‚Weltkammer‘ | Quelle: Wikipedia
Wie zu zeigen war, ergab sich das Naheverhältnis von Oryx dammah zur wichtigsten Gottheit im Alten Reich, dem Sonnengott Re, aus der Fortpflanzungsbiologie dieser emblematischen Wüstenbewohnerin. Das allein würde genügt haben, Oryx dammah an die Spitze einer ganzen Reihe von Tieren in Menschenhand zu hieven. Dass sie auch noch als Namen gebendes Tier einem eigenen Gau vorsteht, dem Antilopengau (im Norden, also an der Spitze Oberägyptens), ist das Tüpfelchen auf dem i.

Zug der Opfertiere (Ausschnitt): Oryx leucoryx, Capra nubiana, Oryx dammah | Quelle: Boessneck 1981, Seite 5*
Wo steht geschrieben, dass man den reich gedeckten Tisch plündern soll? „Der Wildreichtum in der Vielfalt der Arten und in der Menge der Individuen war zweifellos, vor allem im Alten Reich, weitaus größer als in der Neuzeit vor der totalen Ausrottung in unseren Tagen“ (Boessneck 1981, Seite 16).* Mannigfaltig und zahlreich waren die Wildtiere im Alten Ägypten, deren mehr oder weniger artgerechte Haltung aus antiken Bilddenkmälern, aber auch aus zooarchäologischen Untersuchungen hervorgeht – manche Wildtiere wurden mit Stricken, die um den Vorderlauf geknüpft waren, angebunden (was sich an Knochenfunden nachweisen lässt: Boessneck 1981, Seite 9), anderen legte man Halsbänder an, handzahme Individuen durften sich frei bewegen, wie die Löwen der Pharaonen Ramses II. und Ramses III., die ihre Herren in die Schlacht begleiteten (ebd., Seite 26). Wie reich die Natur den Tisch zu Pharaos Zeiten gedeckt hatte, zeigen auch die Tausenden von Tiermumien, die zwar hauptsächlich die gebräuchlichsten Haustiere ‚abbilden‘ (Katzen vor allem … und die berühmten Apis-Stiere) – aber eben nicht nur. Wahrscheinlich wurden Vertreter von mehr als sechzig Wildtierarten mehr oder weniger regelmäßig als Haus- und Heimtiere beziehungsweise unter zooähnlichen Bedingungen gehalten, mehr als vierzig Arten allein aus der Familie der Vögel (a.a.O., Seite 11 f.). Tierkult, kultische Jagd und Jagd zur Versorgung mit Wildbret beförderten nicht nur die Hundezucht – beliebt und oft abgebildet: der überschlanke Windhund, wie er noch heute bei Wüstennomaden in hohen Ehren steht –; auch die Haltung gezähmter und speziell abgerichteter Jagdhelfer aus der freien Wildbahn wäre hier zu erwähnen. Ein im Gegensatz zu den auftrumpfenden pharaonischen Kriegslöwen eher sympathisches Bild boten zum Beispiel die Nilgänse (eine heute dank der Klimaerwärmung bis weit nach Mitteleuropa verbreitete Art), die auch von den einfachen Menschen zu Hause gehalten und bei den beliebten Wasservogel-Jagden in den Papyrussümpfen als Lockvögel eingesetzt wurden (a.a.O., Seite 8). Und so weiter und so fort!
Eine Longue durée der Wildtierhaltung. Es gibt sie nicht nur im Bösen, die ‚Lange Dauer‘ mit ihren zur Volkskultur gewordenen Traditionen eines so und so gearteten Umgangs mit der Natur; nicht nur die Schaukämpfe und Tierhetzen in den Arenen der Römer, deren langer Atem, wenn ich so sagen darf, noch heute durch die Stierkampfarenen der Iberischen Halbinsel weht. Sondern auch die eigenartige, Jahrhunderte währende Tier-Diplomatie ägyptischer Herrscher. Von Ramses bis Kleopatra, von den Mamluken-Sultanen des Mittelalters bis zum ‚modernen‘ Herrscher Mehmed Ali, sendet der Hof als Zeichen seines guten Willens spektakuläre vierbeinige Botschafter – Giraffen, Elefanten, Löwen, Krokodile – an potenzielle Partner. Die einen haben, der ‚Urfigur‘ des Tieropfers treu bleibend, eine hochspezialisierte Kunstform daraus gemacht (abzüglich der kultisch-religiösen Komponente natürlich); sodass der Spanier Ortega y Gasset (und er muss es wissen) geradezu von ese componente primario de la intuición tauromáquica sprechen kann (Ortega y Gasset 1986, Seite 128).* Was also bei den einen „diese ursprüngliche, intuitive Komponente des Stierkampfs“ geblieben ist (tauromaquia, die Kunst des Stiergefechts als Erbin des Tieropfers), zeigt sich bei den anderen nicht weniger artifiziell, jedoch ein gutes Stück lebensfreundlicher. Gewiss ist es vom Tieropfer zur Zootierhaltung (inklusive Tierfang und Tiertransport) ein weiterer Weg als zur Tauromachie. Entscheidend ist das hohe Alter der Expertise (etwa fünf Jahrtausende) – und diese Expertise entstand und entwickelte sich an den Ufern des Nil, allgemein gesprochen im Orient (Liedl 2019, Seite 7 ff.).*

Säbelantilope mit Kalb | Quelle: Wikipedia (kduthler)
Kain oder Abel. Vielleicht verträgt das Thema, nachdem wir die Musterung der archäologischen, zoologisch-kulturanthropologischen Tatsachen und (Quer-)Verweise bis auf weiteres abgeschlossen haben, ja wieder ein wenig Philosophie. Denn über der Geschichte des Mensch-Natur-Verhältnisses (und eigentlich ist das ja ‚die‘ Geschichte schlechthin) schwebt immer noch die Frage, wer von den beiden Urgestalten, Abel oder Kain, Dr. Jekyll oder Mr. Hyde in besagter Geschichte am längeren Ast sitzt. Nun, wenn wir uns mit der Freud’schen Kinderspiel-Erzählung nicht komplett vergriffen haben, was entgegen dem Anschein, den unser etwas spröder Einstieg in die Thematik erweckt haben mag, wohl eher nicht der Fall ist, sollte wo schon nicht eine definitive Entscheidung, so doch wenigstens eine vertiefende Darstellung des Problems, und wenn schon nicht das, dann zumindest eine Präzisierung der Frage selbst möglich sein.
Abel oder Kain? Warum wird eigentlich nicht Kain erschlagen, der Sesshafte, sondern Abel, der wandernde Viehhirte? Man mag dem Pflanzer, dem Getreidebauern, dem „im Schweiße seines Angesichts“ (so heißt es doch) das Feld Bestellenden ein derartiges Maß an destruktiver Energie gar nicht zutrauen. Noch so eine Paradoxie in unserer an Paradoxien nicht gerade armen Thematik?
„Dass es sich so verhält, wie es in der Bibel steht, liegt vielleicht daran, dass hier die Welt aus der Sicht der Hirten und nicht aus Sicht der Bauern erklärt wird. Ursprünglich wurden Geschichten wie diese wohl beim Hüten der Herden erdacht und Abends vor den Zelten am Lagerfeuer erzählt – und nicht in den Lehmhütten der Ackerbauern oder Feldbesteller.“ – „Aber objektiv betrachtet, widersprechen sie der Faktengeschichte, wie wir sie kennen: die strotzt vor Überfällen Nichtsesshafter auf Sesshafte. Die ‚Barbaren‘, das sind doch jene, die gut zu Fuß sind oder auf schnellen Pferden reiten, so weiß man es, seit sich Sumerer über die Bewohner des Zagros-Gebirges, Hellenen über die Skythen, Christen des Abendlandes über die Mongolen beklagten.“ – „Weiß man es – oder möchte man es die Welt bloß glauben machen? Um von den eigenen destruktiven Trieben abzulenken? Um sich diese nicht eingestehen zu müssen?“ – „Das ist jetzt aber ein Standpunktwechsel – von der Perspektive des Menschen hin zur Natur.“ – „Und mit Blick auf jene, die halbwegs auf dem Standpunkt der Natur stehen, mit der sie mehr oder minder im Einklang sind.“ – „Also doch Abel? Dessen Ziegen und Schafe so gar keine Schuld trifft an der Zerstörung der Baumsavannen des Zweistromlandes …“ – „Verglichen mit dem ökologischen Fußabdruck, den die Sesshaften seit den ersten neolithischen Brandrodungen hinterließen und immer noch – heute mehr denn je – hinterlassen, sind die Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde und Kamele der Umherziehenden – verzeih das plumpe Wortspiel – veritable Unschuldslämmer …“
Wer hat also recht? Nun, selbst die Mythologie der ‚Sesshaften‘ kann nicht anders, als das Goldene Zeitalter in eine Ära zu verlegen, in der es weder Brandrodungen noch das Wenden der Scholle gab, als man weder Hacke und Grabstock, noch die scharfe Pflugschar kannte. Eine Ära, in welcher der Mensch – zwar nur sozusagen, aber immerhin – ‚die Erde in Ruhe ließ‘.
All diese Mythen vom Goldenen Zeitalter stellen eine Natur in den Mittelpunkt, welcher der Mensch, um sein Lebensrecht geltend zu machen, keine Gewalt antun muss. Dass sie reale (ökologie-)historische Zustände spiegeln, kann angenommen werden, wäre aber zu relativieren. Jäger und Sammler reißen nun tatsächlich den Mutterboden nicht auf, dafür kennen sie den Einsatz des Feuers zu allerlei raumschaffenden, den Raum erweiternden, die Umwelt verändernden Zwecken, etwa bei der Treibjagd. Und weil wir gerade von ihr sprechen – hat nicht auch die Jagd zum Verschwinden der eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Megafauna kräftig beigetragen? Aber lassen wir die Jäger und ihr Goldenes Zeitalter. Wenden wir uns den Hirten und ihren Herden zu.
Nomadenweisheit. „Was man nicht vergessen darf: ‚Naturschutz‘ ist in Arabien kein neues Konzept. Das traditionelle ‚Hema‘-System sorgte für einen saisonal kontrollierten Weidegang, wodurch anderes Land als unverbrauchte Reserve verblieb, bisweilen als Jagdgebiet genutzt. Schon in der Mythologie Mesopotamiens ist das uralte Wissen um ökologische Ursachen und Wirkungen präsent“ (Kingdon 1991, Seite 13; dazu Liedl | Feldbauer 2024, Seite 6 ff.; vgl. Liedl 2019a, Seite 4 ff.).
Nicht nur für die klassischen Kamelnomaden des Vorderen Orients gilt das Wort vom „uralten Wissen um ökologische Ursachen und Wirkungen“; auch anderswo – eigentlich überall, wo es Vieh züchtenden Nomaden nicht durch außerökonomische Zwänge, sprich durch die Politik oder andere schicksalhafte Umstände verwehrt ist, ihre traditionelle Lebensweise zu pflegen – zeichnen sich die sogenannten Nicht-Sesshaften durch einen behutsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen aus. Die Umwelt dieser Viehzüchternomaden ist eine einzige große Allmende mit klar definierten Strukturen nach innen – einem Mix aus Weideland, Ruhezonen und Wasserstellen – und ebensolchen Grenzen nach außen, wo die Territorien der Nachbarclans und Nachbarstämme sind. Dass dieser labile Gleichgewichtszustand über alle Veränderungen der Zeit hinweg erhalten bleibe oder nach Störungen so rasch wie möglich wieder hergestellt werde, dafür sorgt eine von Generation zu Generation weitergegebene Sammlung von Handlungsanweisungen und Grundsätzen, was nicht nur das tagespolitische Geschehen sondern auch Verhältnisse von langer und längster Dauer (‚Longue durée‘), mit einem Wort den ökologischen Zustand dieser Allmende im Blick zu behalten erlaubt.
Dass eine so verstandene Umwelt als unteilbares Ganzes begriffen ist (der Ausdruck „ökologische Sensibilität“ ist in diesem Zusammenhang wohl angebracht), geht aus der Behandlung selbst jener Ressourcen hervor, die nicht unmittelbar den Menschen und ihren Herden zugute kommen. Auch der sogenannten wilden Natur gebührt Respekt. So waren die mongolischen Stämme besonders in Phasen demographischen und ökonomischen Aufschwungs, wie zu Zeiten höchster Machtentfaltung unter Dschingis Khan und Nachfolgern, durchaus bereit, ihren Beitrag zur Wiederherstellung überausgebeuteter Landstriche zu leisten; das beinhaltete nicht nur Maßnahmen wie das Anlegen neuer und die Verbesserung alter Weideflächen, sondern auch Jagdverbote in riesigen, als Wildreservate ausgewiesenen Territorien. Und den Schutz des Wolfes, der als Hüter der Gesundheit ihrer Pferdeherden galt.
Vielleicht ist es ja spekulativ anzunehmen, dass sich im immer noch sehr naturnahen Kosmos der Nomaden-Viehzüchter das Erbe einer langen Inkubationszeit, das Vermächtnis aus einer Grauzone zwischen Jäger- und Hirtendasein als besonderes Natur- und Umweltverständnis erhalten haben könnte – wie gesagt, das mag sich spekulativ ausnehmen, ganz unplausibel ist es nicht. Weil gerade vom Wolf bei den Mongolen die Rede war – aus der arabischen Ecke des Nomaden-Universums tönt es ganz ähnlich … auch hier ist das Tier noch ganz auf Augenhöhe mit dem Erzähler: „Nachdem wir das Feuer hatten auflodern lassen, besuchte uns ein Wolf. Dem warf ich ein Bratenstück zu, um mich nicht einer Grobheit schuldig zu machen gegenüber einem, der sich mir vertrauensvoll näherte. Da kehrte er, mit dem Braten im Maul, frohgemut um und schüttelte den Kopf wie ein plündernder Krieger, der mit seiner Beute glücklich nach Hause eilt“ (Muraqqish al-Abbar: Das Gespräch mit dem Wolf, vgl. Liedl 2019b, Seite 4 ff.).
Das kontrastiert doch einigermaßen mit einer gewissen ökonomisch erfolgreichen, ökologisch verheerenden Naturauffassung, die als eine der tragenden Säulen im geistigen Überbau moderner Industriegesellschaften eine lange Geschichte hat; eine Geschichte, die sich bis in die Anfänge des sogenannten Abendlandes zurückverfolgen lässt.
Der reich gedeckte Tisch wird abgeräumt. Bezüglich des Verschwindens von Oryx dammah & Co. – das Leitmotiv dieses Blogs – lassen sich prinzipielle Überlegungen anstellen, die es möglich machen, die ‚westlich-abendländische‘ Naturauffassung in einem Atemzug sowohl globalhistorisch als auch umweltpolitisch zu interpretieren.****** Geschwindigkeit, Rhythmus und die geographische Verteilung der Phänomene sind viel zu augenfällig aufeinander bezogen, um nicht sogleich stutzig zu machen. Um den Globus läuft eine Welle ökologischer Verarmung, und als untrügliches Indiz begleitet sie massivster Artenschwund. Ihren Ausgang nahm diese Welle schon während des Mittelalters (abendländischer Zeitrechnung), nämlich genau im Brennpunkt der neuen Denkungsart, in den – man beachte die Anführungsstriche – ‚fortschrittlichen‘ Territorien einer expandierenden Feudalgesellschaft. Ökologisches Indiz ist die zugleich mit den Wäldern verschwundene Großwildfauna – Bär, Wolf, Luchs; Ur, Wisent, Elch. Überall sonst auf der Welt, ja sogar an den südlichen Rändern Europas (was umso bemerkenswerter ist, als diese ‚Ränder‘ selbst wieder Zentren sind, hinter denen uralte Zivilisationen stehen) hatte sich ein ökologischer Zustand erhalten, der immer noch ‚reich‘ genannt werden durfte, geprägt von einer Ursprünglichkeit und Artenfülle, für die es keinen besseren Zeugen gibt als den ‚jungfräulichen‘ Kontinent Amerika mit seinen Bisons, Elchen, Wapitis, Weißwedel- und Maultierhirschen, Pronghorn-Antilopen und Dickhornschafen, Bergziegen und Karibus mit all den Beutegreifern im Schlepptau: Braun- und Schwarzbär, Grizzly und Eisbär, Timberwolf und Kojote, Puma, Rotluchs, Waschbär und Fuchs … Dazu die Riesenschwärme der Wandertaube, die Sandkraniche und Trompeterschwäne, Präriehühner, Kragenhühner, Hasel- und Truthühner … und da hätte man nur das wichtigste jagdbare Wild erfasst, das den Autochthonen als Lebensgrundlage diente und von ihnen auf nachhaltige Weise genutzt wurde. Bis die Europäer kamen …
So radikal deren Erschöpfungs- und Vernichtungsfeldzug war, so kurz ist auch die Zeit, die es brauchte, bis der Planet seines schönsten Schmucks, der Artenvielfalt, beraubt war. Gerade einmal zwanzig Jahre benötigten die nordamerikanischen Bisonschlächter, um den Bestand von 30 – 60 Millionen (die Schätzungen schwanken) auf ein paar Dutzend Tiere zu bringen. Und was die stolze Säbelantilope betrifft, das Tier des ägyptischen Sonnengottes, so war aus den vielen Tausenden, die noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts die Sahara durchstreiften, um die Jahrtausendwende eine glatte Null geworden: „Durch unkontrollierte Jagd, die zuletzt von Autos und Flugzeugen aus erfolgte, wurde die einst häufige Säbelantilope in der Wildnis vollkommen vernichtet. […] Ausgedehnte Suchexpeditionen in den Jahren 2001 bis 2004 konnten keine lebende Säbelantilope mehr sichten, sodass die IUCN [International Union for Conservation of Nature] den Status der Art auf in der Wildnis nicht mehr vorkommend ändern musste“ (Eintrag ‚Säbelantilope‘ auf Wikipedia).** Nicht wo der Fuß des Nomaden hintritt, wächst kein Gras mehr, sondern ...

Taurotragus derbianus: Das Tier und der Mensch | © Prague Zoo
Taurotragus & Co. Erinnern wir uns an das Motto der Triebökonomie: „Was häufig ist, hat wenig Wert. Seltenes dagegen ist kostbar.“ Dieses ‚Motto‘ kann aber auch als die Beschreibung der Gedanken gelesen werden, die dem Verschwender am Ende des Tages durch den Kopf gehen. Die Weißen (Europäer, Amerikaner) haben ein halbes Jahrtausend aus dem Vollen geschöpft. Jetzt, wo der Boden sichtbar wird, sind einige Vertreter des merkwürdigsten zivilisatorischen Konglomerats, das die Geschichte der Menschheit hervorgebracht hat, besorgt. Nun sei die Zeit gekommen, Kassasturz zu machen, sagen sie. Der „Bioplanet“ (Ahmetoglu et al. 2019),* so sagen sie, besteht aus sehr viel anorganischer und mittlerweile nicht mehr so viel, dafür aber reichlich ramponierter lebender Materie, die sich noch dazu, wie sie sagen, zum Großteil aus Individuen einer einzigen beziehungsweise einer Handvoll Arten zusammensetzt: Homo sapiens mit seinen Nutzpflanzen und Haustieren. Wenig verwunderlich, dass diese Besorgten im Sinne der verkehrtproportionalen Wertlehre (siehe oben) die Überreste einer ehemals ungeheuren Artenfülle als Kostbarkeit wahrnehmen:
„Die Westliche Riesen-Elenantilope (Tragelaphus derbianus derbianus, Gray, 1847) kommt nur im Nationalpark Niokolo Koba im Südosten Senegals vor und ihre Zahl ist äußerst gering. Halbwild werden sie auch in den Reservaten Bandia und Fathala im Westen Senegals gehalten. Die Westliche Riesen-Elenantilope ist eine der größten Antilopen der Welt und zugleich eine der am stärksten gefährdeten Arten unseres Planeten“ (Eintrag ‚Antelope Conservation‘ auf derbianus.cz, Zitat gekürzt).****
Die aus Lehrenden und Akademikerinnen der Fakultät für tropische Agrarwissenschaften an der Tschechischen Universität für Biowissenschaften in Prag bestehende NGO, von deren Homepage das Zitat stammt, befasst sich seit der Jahrtausendwende erfolgreich mit der Nachzucht von Taurotragus derbianus derbianus und ist dabei, durch Auswilderung und Wiederansiedlung das letzte Vorkommen dieser westafrikanischen Unterart der Riesen-Elenantilope in freier Wildbahn zu erhalten. Den größten Teil des heutigen Bestandes, mehr als 150 Tiere, bilden die in zwei privaten senegalesischen Wildreservaten (Fathala und Bandia) gehaltenen Exemplare aus dem Nachzucht-Programm. Von dem um 1990 auf 700 –800 Stück geschätzten Bestand im Niokolo-Koba Nationalpark leben heute vielleicht noch 100 Tiere. Den Ernst der Lage kann man einem anderen aktuellen Netzeintrag entnehmen:
„Dramatische Bestandsrückgänge erlitten alle Huftiere, die Pferdeantilope von mehr als 6000 im Jahre 1990 auf aktuell etwa 700, die Westafrika-Kuhantilope von 5000 auf 150, die Kob-Antilope von 24.000 auf aktuell etwa 100, Defassa-Wasserbock von über 3000 auf 10 sowie der Afrikanische Büffel von 8000 auf weniger als 500. Erloschen sind der westlichste Bestand der Westafrikanischen Giraffe (Giraffa camelopardalis peralta) sowie des Elefanten. Unsicher ist, inwieweit nationale wie internationale Schutzmaßnahmen Erfolg haben werden. Die Probleme der ungebremsten Wilderei mit schweren Waffen, die Jagd auf Bushmeat sowie der Vogelfang sind unter den gegebenen Umständen nicht gelöst“ (Eintrag ‚Nationalpark Niokolo-Koba‘ auf Wikipedia, Zitat gekürzt).****
Abspann: Der Kreis schließt sich. Im Orient, wo alles begann, wo die Menschheit erstmals das ‚Wild der Wüste‘ zähmte und, jedenfalls nach Expertenmeinung, die frühesten ökologischen Prüfungen zu bestehen hatte, scheint sie heute, ökologisch gewendet und | oder geläutert, zu ihrer zivilisatorischen Sendung zurückzufinden. Nun, vielleicht ist es nicht gerade die Menschheit als solche, die das tut, wohl aber der eine oder andere prominente (und jedenfalls mehr als nur begüterte) Vertreter derselben. Von einem solchen Vorbild, das sein nicht unbeträchtliches Vermögen für das Gute einsetzt, heißt es:
„Den Wildpark Al Bustan hat er aus Liebe zu den Tieren eingerichtet. Und als seinen ganz persönlichen Beitrag zur Arterhaltung. An keinem anderen Ort spürt er seine Verantwortung intensiver als hier.“ ***** Der Park ist auf die Nachzucht gefährdeter Arten spezialisiert – neunzig Prozent des Tierbestandes sind Spezies, die auf der Roten Liste stehen. Das faunistische Who is Who des Tierfreundes aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geht von erfolgreich nachgezüchteten Geparden (Acinonyx jubatus) über Okapis (Okapia johnstoni), den stark bedrohten Arabischen Thar (Arabitragus jayakari) bis zur Riesen-Elenantilope (Taurotragus derbianus) und anderen bedrohten Antilopen- und Gazellenarten, darunter die in freier Wildbahn wahrscheinlich bereits ausgestorbenen Sömmerringgazellen (Nanger soemmerringii) aus dem Sudan (siehe dazu auch BLOG # 3 vom 13. Oktober 2022).
Hier schließt sich der Kreis. Vor mehr als 4000 Jahren hat ein genau beobachtender Künstler bei der opulenten Ausgestaltung der Grabkammer des Ptah-hotep aus Sakkara minutiös wiedergegeben, was dem Verstorbenen wichtig genug war, um für ihn auch im Jenseits unverzichtbar zu sein. Neben Jagd, Fisch- und Vogelfang in den Papyrussümpfen des Nil ließ sich der hohe Verstorbene auch seinen Privatzoo in die Anderwelt transferieren – mit Säbel- und Mendesantilopen, Steinböcken und Gazellen. Gazellen wie die an ihrem weißen Spiegel klar als solche erkennbare – Sömmerringgazelle:

Eine Herde Sömmerringgazellen in Al Bustan | © Al Bustan Zoological Centre

Sömmerringgazelle mit Wärter, altägyptisch | Quelle: Justi 1885, Seite 70*
Ein Fanal. Zu denken, dass das Verbreitungsgebiet dieses in riesigen Wanderherden zwischen Nil, Atbara und den Vorbergen des Äthiopischen Hochlandes hin und her ziehenden Wildtiers einst bis nach Oberägypten reichte – und dass die anmutige Gazelle heute, am Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends, ohne den Eigensinn eines Tierfreundes vom Persischen Golf vielleicht für immer von der Erde verschwunden wäre, wie so viele andere prächtige Geschöpfe aus der Kollektion des großen Meisters...
Aber wie die Geschichte zeigt, hat in der Realität wie in der Kunst nicht immer der Tod das letzte Wort. Auch nicht der Tod einer Tierart.
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*Literatur:
Ahmetoglu et al. 2019 = Özlem Ahmetoglu | Stephanie Fischer | Katinka Holupirek | Laura Joppien | Andrea Lammert | Andrea Rudolf: Der Bioplanet. Die spektakulärsten Naturreservate weltweit. Kunth Verlag: München 2019.
Atlas 1987 = Lee Durrell | Internationaler Naturschutzverband (IUCN) (Hg.): Gaia – Die Zukunft der Arche. Atlas zur Rettung unserer Erde. Fischer Taschenbuch Verlag: Frankfurt am Main 1987.
Boessneck 1981 = Joachim Boessneck: Gemeinsame Anliegen von Ägyptologie und Zoologie aus der Sicht des Zooarchäologen. Vorgetragen am 12. Juni 1981. Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften | C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung: München 1981.
Deleuze | Guattari 1979 = Gilles Deleuze | Félix Guattari: Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1979 [Paris 1972].
Edel 1961 = Elmar Edel: Zu den Inschriften auf den Jahreszeitenreliefs der „Weltkammer“ aus dem Sonnenheiligtum des Niuserre. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Nr. 8. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1961.
Edel 1964 = Elmar Edel: Zu den Inschriften auf den Jahreszeitenreliefs der "Weltkammer" aus dem Sonnenheiligtum des Niuserre, Teil 2. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Nr. 5. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen 1964.
Edel | Wenig 1974 = Elmar Edel | Steffen Wenig: Die Jahreszeitenreliefs aus dem Sonnenheiligtum des Ne-user-re (= Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung. Band 7). Tafelband. Akademie-Verlag: Berlin 1974.
Helck 1980 = Wolfgang Helck: Jahreszeitenreliefs. In: Wolfgang Helck | Eberhard Otto (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie. Band 3: Horhekenu – Megeb. Harrassowitz: Wiesbaden 1980, Spalte 241.
Helck 1986 = Wolfgang Helck: Weltkammer. In: Wolfgang Helck | Eberhard Otto (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie. Band 6: Stele – Zypresse. Harrassowitz: Wiesbaden 1986, Spalte 1215.
Justi 1885 = Ferdinand Justi: Geschichte der Orientalischen Völker im Altertum. Mit Illustrationen und Karten. Historischer Verlag Baumgärtel: Berlin 1885.
Kingdon 1991 = Jonathan Kingdon: Arabian Mammals. A Natural History | Thaddiyāt ul-djazīra l-‘arabiya. Bahrain – London – San Diego 1991.
Liedl 2019a = Gottfried Liedl: Faszinosum Fernhandel (Einbegleitung). In: Peter Feldbauer: At-Tiğāra. Handel und Kaufmannskapital in der islamischen Welt des 7.–13. Jahrhunderts. Mandelbaum Verlag: Wien 2019, 7–29.
LINK zur ONLINE-Version
Liedl 2019b = Gottfried Liedl: Der Islam und seine nomadischen Träger: Koranische Naturethik, Pflanze und Tier im Denken der Eliten. In: Religionen unterwegs, 25. Jg. Nr. 1 (März 2019), 4–16.
LINK zur ONLINE-Version
Liedl | Feldbauer 2024 = Gottfried Liedl | Peter Feldbauer: Al-Filāha – Islamische Landwirtschaft. Ausschnitte: 1. Räume und Landschaften; 2. Das Vermächtnis islamischer Landwirtschaft. Online-Version (2024).
LINK zur ONLINE-Version
Ortega y Gasset 1986 = José Ortega y Gasset: Sobre la caza, los toros y el toreo. Ed. por Paulino Garagorri. Alianza Editorial: Madrid 1986 (Madrid 1960).
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**Säbelantilope, Netzeinträge:
Eintrag ‚Säbelantilope‘ auf Biologie-seite.de
Eintrag ‚Säbelantilope‘ auf Wikipedia
Eintrag ‚Säbelantilope (Altes Ägypten)‘ auf Wikipedia
Eintrag ‚Sonnenheiligtum des Niuserre‘ auf Wikipedia
Eintrag ‚Bou-Hedma-Nationalpark‘ auf Wikipedia
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***Zur Rückkehr der Säbelantilope:
Eintrag ‚Tschad: 600 Säbelantilopen in freier Wildbahn‘
Eintrag ‚Tschad: Auswilderung der Säbelantilope auf gutem Weg‘
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****Riesen-Elenantilope (Taurotragus derbianus), Netzeinträge:
Eintrag ‚Nationalpark Niokolo-Koba‘ auf Wikipedia
Eintrag ‚Antelope Conservation‘ auf derbianus.cz
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*****Ein orientalischer Tierfreund (Der Wildpark Al Bustan):
„90% of the animals at the 17-hectare Al Bustan Zoological Centre are endangered“: Gulf News, 1. Juni 2013
******Versuch einer Erklärung. Vielleicht ist er ja weniger Ausdruck einer Condition humaine – ein allgemein menschlicher Zug –, als vielmehr das Charakteristikum unserer 'westlich-abendländischen' Zivilisation: jener Drang, den reich gedeckten Tisch der Natur zu plündern ... oder, um das gebrauchte Bild noch einmal aufzufrischen: dem 'Da' ein triebhaftes 'Fort' entgegen zu setzen. So formuliert – als eine Psychologie des Naturgebrauchs sozusagen – mag es uns als Eintrittspforte zum Problem seine mehr oder weniger guten Dienste leisten. Wir sollten aber auch ernst nehmen, was der große Braudel über die gesellschaftliche Wirklichkeit gesagt hat: dass die Gesellschaft als integratives Ganzes aufzufassen sei, in welchem sich einerseits die gesellschaftlichen Gruppen oder Klassen ständig gegenseitig beeinflussen, andrerseits die Grenzen zwischen ihnen „fließend wie Wasser“ seien (Sozialgeschichte des 15. – 18. Jahrhunderts, Kapitel 5). Im Falle der Ökologiegeschichte des 'Abendlandes' heißt das aber, dass die beschriebene Condition auf die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse herunter gebrochen werden muss. Was hat es unter diesen Voraussetzungen mit jenem unzweifelhaft feststellbaren 'Hass', mit dieser Zerstörungs- und Vernichtungswut der Europäer auf sich? Ist diese Wut denn tatsächlich das Kennzeichen 'der' Europäer? Ist sie nicht vielleicht ein Kennzeichen, dessen Natur weniger psychologisch als vielmehr soziologisch aufgeklärt werden könnte und sollte? Anders gesagt, handelt es sich dabei nicht um ein, wie es im Soziologenjargon heißt, klassenspezifisches Phänomen? Jene Europäer, die beispielsweise in der Neuen Welt unter den wilden Tieren und Pflanzen wie Berserker wüteten, hatten die nicht eben erst die Fesseln eines strengen Feudalregimes abgestreift, wo ihnen von der Obrigkeit jeglicher Gebrauch natürlicher Ressourcen außerhalb der engen Grenzen der Feldarbeit bei Leibesstrafe untersagt war? Die jedoch andrerseits taten- und machtlos zusehen mussten, wenn das Wild der hohen Herren ihre Felder verwüstete und ihre Ernten vernichtete? Von dieser durch Forstgesetze und Jagdverbote um ihre angestammten Nutzungsrechte gebrachten ländlichen Bevölkerung war wenig Empathie für eine Natur zu erwarten, die ihnen von der herrschenden Klasse – je nach Blickwinkel – aufgedrängt oder vorenthalten wurde. Der Verweis auf eine allgemeine Condition humaine oder, spezieller, européenne greift da anscheinend zu kurz. Was wiederum nichts an der Tatsache eines in ökologischer wie auch politisch-wirtschaftlicher Hinsicht deutlich erkennbaren europäischen Sonderwegs ändert. So gesehen stimmt der Wink mit dem Zaunpfahl, dass es sich um eine 'Condition', eine strukturelle Angelegenheit handeln müsse.
Außerdem hat sich jene Besonderheit seit etwa einem halben Jahrtausend so konsequent über den ganzen Globus verbreitet, dass sie nun in der Tat 'die Menschheit als solche' (zumindest den Charakter von ausnehmend vielen Menschen) zu prägen scheint. Die Kurve des Verschwindens natürlicher Schätze (um den Ausdruck zu wiederholen, der das Drama zwischen Ökologie und Ökonomie auf den Punkt bringt) korreliert mit dem Siegeszug besagter 'westlich-abendländischer' Zivilisation. Einen Populationsschwund von 69 % seit 1970 – also das Schrumpfen der Individuenzahl wilder, sprich nicht domestizierter Tier- und Pflanzenarten auf weniger als die Hälfte – gab das renommierte Nachrichtenportal Bloomberg Green, sich auf eine wissenschaftliche Studie berufend, erst unlängst bekannt (Bloomberg Green, Newsletter vom 10.4.2024). In diese Zahl muss auch die Vernichtung dreier Wildtierarten im Naturschutzgebiet Lainzer Tiergarten eingerechnet werden (siehe dazu BLOG # 4, BLOG # 5). Peinlich für eine Großstadt, die sich ihres Umwelt-Engangements zu rühmen pflegt – und eine Beschämung der Wiener Lokalpatrioten, sofern sie Naturliebhaber sind.
„Wenn ich es mal so ausdrücken darf: Sie drehen sich im Kreis, und das macht sie wütend.“ – „Du hast leicht reden in deinem komfortablen Lehnstuhl. Hättest du statt einer fetten Beamtenpension bis über beide Ohren Schulden und einen Hof, der mehr kostet als er bringt ... Und Vater Staat kürzt dir dann auch noch die Subventionen.“ – „Schon gut, ich habe verstanden. Aber in einem System, wo die Höfe und Traktoren immer opulenter werden – ‚Stets das Gleiche, nur mehr davon‘ (Einfallslosigkeit gepaart mit Größenwahn) –, darf man nicht überrascht sein, wenn sich‘s am Ende nicht ausgeht. Und was die Subventionen betrifft – alles Steuergelder. Irgendwann wacht das Volk auf und will zumindest wissen, wohin sein schönes Geld geflossen ist. Und was es selbst davon hat.“ – „Wohlfeile Lebensmittel zum Beispiel.“ – „Den Wert dieses Arguments würde ich stark in Zweifel ziehen. Die gesellschaftlichen Kollateralschäden industrieller Landwirtschaft können sich sehen lassen – da möchte ich als Steuerzahler zumindest beim Einsatz der Subventionen ein Wörtchen mitreden können. Noch mehr Gülle im Grundwasser? Immer mehr Pestizide? Immer weniger Biodiversität? Und wenn dann die Steuer zahlende urbane Mehrheit über die Verwendung der eingesetzten Steuergelder von der Minderheit Rechenschaft verlangt (denn das sind unsere geschätzten Kollegen aus der subventionierten Landwirtschaft: eine Minderheit im Staate), setzt man sich auf den Monstertraktor und blockiert die Autobahn?“*
Gewinner, Verlierer. Beginnen wir mit der zweiten, der leichteren Frage: Wer verliert? Im Spiel des Lebens nach Art des Hauses sind die Benachteiligten eindeutig in der Überzahl – vom schrumpfenden Bodenleben über die schwindende Vielfalt der Landschaften bis zum Menschen, der die Ignoranz und Gleichgültigkeit, ob er es nun weiß oder nicht, mit seiner physischen und psychischen Gesundheit bezahlt. Das gilt für beide Seiten gleichermaßen, für die Konsumenten in den Städten wie für die Produzenten auf dem flachen Land. Die Wut der Bauern hat eine sinistre Kehrseite: unter keiner anderen Berufsgruppe ist die Selbstmordrate höher.
Zur ‚Schuldfrage‘ (wenn man es denn so formulieren mag) fällt einem nicht viel Neues ein. Außer dass es neben der sprichwörtlichen Schweigenden Mehrheit auch das Schweigen der Anderen gibt, jener Wenigen, deren gesellschaftspolitischer Einfluss maximal ist. Und nein, damit ist nicht die Minderheit der Landwirtschaft treibenden Bürger und Bürgerinnen gemeint. Deren Einfluss auf die Gesellschaft ist das Gegenteil von maximal, wie ihre blinde Wut zeigt. Dass sich, wie es heißt, „Männer mit großen Traktoren als das ‚Volk‘ präsentieren, das sich gegen die Politik erhebt,“ beweist somit gar nichts.* Den eigentlichen Gewinn, wenn sich nichts ändert am Status quo, für den sich die „Männer mit den großen Traktoren“ stark machen, haben die Strippenzieher im Hintergrund, Protagonisten der oben erwähnten Schweigenden Minderheit. Wirklich erfreut über das Show off bäuerlicher „Petromaskulinität“ (die Politikwissenschaftlerin Cara Daggett)* kann das angesprochene ‚Volk‘ – die Mehrheit der Konsumenten – gar nicht sein („die Bauern protestieren nur für sich“).* Wirklich erfreut darüber sind die investierten Super-Player der Agro-Industrie samt Biotechnik, Chemie und Banken.
Interessen vor und hinter dem Vorhang. Vor dem Vorhang und auf offener Bühne protestieren Landwirte gegen arrogante Besserwisser aus der Stadt für den Status quo auf dem Lande: „Wir brauchen Pestizide. Wir wollen keine unproduktiven ‚Grünstreifen‘ neben unseren Äckern für eure ‚Renaturierungen‘. Wir benötigen jeden Quadratmeter Boden (allenfalls, um ihn zu Bauland zu machen). Und wir müssen die Jauche aus unseren Mastställen loswerden.“ Die Antwort des arroganten Besserwissers lautet: „Das mag sich alles so verhalten, wie ihr sagt. Nur dass es nicht das eigentliche Problem ist. Das eigentliche Problem am Status quo sind die stagnierenden Gewinne. Eure stagnierenden Gewinne.“
Gewinne in exponentiell steigender Höhe werden nicht vor sondern hinter dem Vorhang gemacht – unter Ausschluss der Öffentlichkeit namens ‚Volk‘. Vor dem Vorhang werden ‚Strukturen bereinigt‘ sprich Kredite aufgenommen, für deren Rückzahlung Subventionen nötig sind, gespeist aus Steuern der Schweigenden Mehrheit. Angesichts der Alternative: to have or not to have, sitzen Landwirt, Konsument und städtischer Besserwisser dann doch wieder in einem Boot.
Im Prinzip sind der Status quo auf dem Lande und das Schicksal der ländlichen Klientel den übrigen Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen herzlich egal. Freilich nicht egal ist ihnen der ländliche Output: das möglichst billige Lebensmittel. Die Lateralschäden und wer den Schaden letztlich bezahlt, nämlich sie selbst, bleiben ihnen in der Regel verborgen. Und man sage nicht, dass mittlerweile jedes Kind um diese Schäden weiß. Jedes Kind – vielleicht. Alle anderen üben sich in Verdrängung: „Keine Erhöhung der Lebensmittelpreise, haben wir uns verstanden?“
Alle mit Ausnahme der Besserwisser. Diese meinen, dass es vernünftig wäre, das Steuergeld statt in Subventionen zur Aufrechterhaltung eines prekären Status quo in Investitionen zu dessen Veränderung zu stecken. Sie werden auch nicht müde zu wiederholen, dass die Verbraucherpreise nicht am Bauernhof gemacht werden, und dass Landwirte, Agrar- und Lebensmittelindustrie nicht in einem Boot sitzen, Landwirte und Konsumenten dagegen schon.
Im selben Boot. Es gibt unzählige Punkte, in denen Landwirtschaft, Konsumenten und vielleicht sogar die Gesellschaft als ganze identische Interessen haben. So viele, dass hier nur ein paar der spektakuläreren Beispiele angeführt seien. Beispiel Nummer eins – ein Dauerbrenner und zuletzt wieder hoch aktuell, die Frage: Wem gehören Lebewesen? Sind die Arten und Sorten, die wilden und die züchterisch veränderten Spezies Gemeingut – Weltallmenden? Oder darf über sie das Verfahren der Aneignung eröffnet, der monopolistische Anspruch einer Minderheit auf exklusive Verfügungsgewalt erhoben werden. Bei einer Patentierung nicht nur künstlich veränderten sondern jeglichen Saatgutes – ein Damoklesschwert, das, seit es Biotechnologie, Agrochemie und Industrielle Landwirtschaft gibt, gleichermaßen über Landwirten und Konsumenten schwebt –, wären beide, Erzeuger und Konsument entmündigt; keiner hätte noch Wahlfreiheit, der landwirtschaftliche Produzent nicht hinsichtlich der Pflanzensorten und Tierrassen, die er züchten möchte, der Konsument nicht hinsichtlich der Frage, aus welchen Rohstoffen sein Essen bestehen soll.**
Zweitens wäre da die Politik. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Gott mag ja helfen. Ob das auch für Bauernbünde, Landwirtschaftskammern und Parteien gilt, fragen sich Landwirte und Bäuerinnen seit langem. Hier heißt es wohl eher follow the money – und zwar the really big one. Wer zu Investitionen rät und zugleich Kredite vergibt, hat vielleicht doch nicht so ganz das Wohlergehen seines künftigen Schuldners im Sinn. Nicht in dieser Welt.
Drittens das Thema Wohlfahrt: physische und psychische Gesundheit. Auch auf dem Lande sind Gier und Prestigedenken zwei eher schlechte Ratgeber in Sachen Innerer Friede. Ein Leben und Zehren von der Substanz, ohne Rücksicht auf Verluste (eigene und die anderer, zum Beispiel solche, wie sie die Natur erleidet, wenn man nicht behutsam mit ihr verfährt) trägt weder zum gesellschaftlichen noch zum individuellen Glück besonders viel bei. Vom öffentlichen Ansehen ganz zu schweigen. Und das will man doch, das braucht man. Schon wegen der Subventionen.
Viertens: Bildung. Weder muss eine einmal gewählte Produktionsweise den eingefahrenen Geleisen in alle Ewigkeit folgen (außerdem: Wer hat die Geleise verlegt? Und wem zu Nutzen?); noch ist diese oder jene Ansicht über Gott und die Welt in Stein gemeißelt. Neue Denkungsart führt zu neuer Methode und diese zu neuen Produkten. Wenn Produzent und Konsument einander wirklich zuhören, wer weiß, was dabei herauskommt. Mehr Hirnschmalz bei weniger Dieselverbrauch (statt Mega-Trekker und Wut im Bauch)? Direktvermarktung? Ressourcenschonung? Energieeffizienz? Humusaufbau, Renaturierung und Klimaschutz? Alles ist möglich. Nichts ist fix.
Den Bauern und Bäuerinnen der romanischen Nationen ist das schon lange klar. Sie protestieren ebenfalls, dass die Schwarte kracht. Aber wenn der Eindruck nicht täuscht, so tun sie das auf intellektuelle Art, wo Bodenständigkeit und Gesellschaftskritik keine Gegensätze sind sondern einander ergänzen. Und diesseits des Rheins? Nur Wut im Bauch und Agrodiesel im Tank werden nicht ausreichen, den Teufelskreis aus Profiten, die nicht die euren sind, und Subventionen für einen Status quo, an den die Steuer zahlende Mehrheit nicht mehr glaubt, zu durchbrechen. Im Klartext: Wenn ihr nicht aufpasst, werdet ihr alles verlieren. Nicht nur den Status quo. Sondern auch Haus und Hof.
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*Reportage: „Warum die Bauern erfolgreicher sind als die Klimaaktivisten“ (zu den deutschen Bauernprotesten vom März 2024)
** Wem gehören Lebewesen? Zahlen und Fakten zur Saatgutfrage.
Siehe auch BLOG # 19 vom 9. Januar 2023: „Welt-Allmende“
Vier Agrarindustriekonzerne, BASF, Bayer, Syngenta und Corteva beherrschen mit mehr als der Hälfte des gehandelten Saatguts den Weltmarkt. Ihr Ziel ist ein generelles gesetzliches Verbot, nicht zertifiziertes beziehungsweise nicht patentiertes Saatgut zu züchten und in Verkehr zu bringen. Das hätte zur Folge, dass kleine Landwirte, die sich eine kostspielige und aufwändige Zertifizierung nicht leisten können, ihre eigenen Pflanzen nicht mehr vermehren, tauschen oder verkaufen dürften. Das würde – bei schon heute nur mehr 30 ernährungspolitisch bedeutenden Pflanzen, die weltweit gehandelt werden – eine gefährliche Ausdünnung des Genpools bedeuten. Der Kulturpflanzenschwund, dem (nach Angaben der FAO) in den letzten 100 Jahren bereits 75 Prozent der Nutzpflanzen zum Opfer gefallen sind, würde sich weiter fortsetzen, ja beschleunigen.
Abgesehen von diesem konkreten ökologischen Problem stellt sich eine ethisch-philosophische Grundsatzfrage. Es geht um die Frage, ob das Konzept ‚Privateigentum‘ hier überhaupt anwendbar ist oder ob solche Anwendung eine unzulässige Überdehnung besagten Konzepts wäre. Privateigentum, als Recht definiert, mit einem in ausschließlicher Verfügungsgewalt stehenden Gegenstand nach freiem Ermessen zu verfahren, impliziert auch das Recht der Zerstörung und Vernichtung. Bei konsequenter Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes auf ganze Klassen von Lebewesen, also beispielsweise bei Zertifizierung und Patentierung von Arten oder Unterarten, Rassen oder Zuchtsorten, bedeutete das den Freibrief, nicht nur einzelne Individuen (Tiere, Pflanzen), sondern ganze Spezies (Tier- oder Pflanzenarten) als Ressource anzusehen, die im Extremfall ‚verbraucht‘, sprich straflos ausgerottet werden kann. Der logische Widersinn einer solchen Konstruktion sollte eigentlich ins Auge springen und jeden Versuch der Verrechtlichung monopolistischer Ansprüche auf ganze Klassen von Lebewesen im Keim ersticken. Sollte …
Der politische Realist: „Proaktive Änderungen sind nie angenehm, immer müsste irgend jemand auf irgend etwas verzichten. Angesichts des zu erwartenden Wahlverhaltens der Nation ist es daher ratsam, die Füße still zu halten.“ Der Zyniker: „Das Gute an der Klimakrise: sie braucht auf das Volk keine Rücksicht zu nehmen. Sie kommt auf jeden Fall. Und übrigens – das Wahlvolk weiß das auch.“ Der Pessimist: „Und das ist gut so.“
Mit seiner unorthodoxen Ansage hat der Pessimist ins Schwarze getroffen. Niemand muss sich vor der Klimakrise fürchten, denn sie ist bereits da. Was mit Sicherheit kommt, ist die Antwort des realen Lebens – nicht auf die Frage: Kommt die Krise oder kommt sie nicht? … sondern auf deren Unumkehrbarkeit. Mit anderen Worten: das Gute an der aufschiebenden Wirkung des Nichtstuns ist das katastrophale Ergebnis, denn dieses führt zur nachhaltigen Änderung des Verhaltens wenn schon nicht aller so doch der am meisten Betroffenen (also der Mehrheit). Das Laissez-faire in der Klimakrise führt zur Klimakatastrophe und diese zur Klimafitness (vgl. Liedl 2018, 90 ff.).*
Probleme, auf die man nicht warten muss, weil sie schon lange da sind. Der gebürtige Städter, die gelernte Urbane, so sie nur lange genug in der Stadt leben, um ein Gefühl für Zeit und Veränderung zu bekommen, könnten uns sicher die wichtigsten Entwicklungen, deren Zeugen sie geworden sind, an den Fingern herunter zählen. In abstrakte Formen gegossen wären ihre Erfahrungen wohl mit den Begriffen Überhitzung, Flächenfraß, Verkehrskollaps, Versorgungs-Unsicherheit, Stress und schwindende Lebensqualität recht gut auf den Punkt gebracht.
Mit Mitteln der Soziologie, Ökologie oder auch bloß geographisch könnte man jenen Makrobereich urbaner Entwicklung im Zeichen der Klimakrise als einen sich selbst verstärkenden Prozess darstellen, worin die klimabedingte Überhitzung durch das demographische Wachstum der Städte – ein unbezweifelbarer weltweiter Trend – noch weiter gesteigert wird, weil Städte eben nicht nur flächenfressend ins Umland ausgedehnt werden sondern sich dabei auch nach innen verdichten. Beide Vektoren führen zum gleichen Ergebnis: Vernichtung lebensqualitätsvoller Freiflächen.
‚Lebensqualität‘ in der Krise – und wie man sie allenfalls wieder herstellt. Leider muss man gegenwärtig davon ausgehen, dass die urbanen Lebensräume das Dilemma einer überausgebeuteten Welt perfekt spiegeln; das heißt natürlich, nicht nur sie selbst tun das. Auch andere Biome in ihrer näheren und weiteren Umgebung sind ins Dilemma einbezogen, sofern sie ja, um selbst einigermaßen über die Runden zu kommen, der urbanen Sphäre zuarbeiten – zuarbeiten müssen. Anders und frei heraus gesagt: weil sie von der urbanen Sphäre abhängig sind.**
Oberstes Gebot: der Überhitzung Einhalt gebieten. Das wichtigste Mittel dazu: den Flächenfraß zu stoppen.
Alles Weitere hängt davon ab – ohne adäquate Beantwortung dieser Hauptfrage ist den anderen Übeln nicht beizukommen: weder der klimabedingten Versorgungs-Unsicherheit (Ernährung, Wasser, Energie) noch dem systemischen Versagen der Ökonomie als solcher, einer Ökonomie, die an der Umweltzerstörung großen Anteil, um nicht zu sagen den Hauptanteil hat. Denkt man an den industriellen Komplex der Lebenmittelproduktion und einer davon total abhängigen Landwirtschaft, einen Komplex, der von einer bestimmten Methode, sich der Umwelt zu bedienen, viel zu sehr profitiert, um an einer Änderung solch profitabler, wiewohl ruinöser Strukturen auch nur das geringste Interesse zu haben, können einem schon pessimistische Anwandlungen kommen.
Was der geographische Raum, in dem die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt, zur ökologisch-ökonomischen Wohlfahrt beitragen kann. Der Hinweis auf den agro-industriellen Komplex erfolgt nicht ohne methodische Hintergedanken. Denn dieser Komplex ist konsumorientiert. Mit anderen Worten, er ist bei weitem nicht so autonom, wie er sich nach außen hin darstellt; oder wie er es sich selbst einreden mag. Er ist abhängig vom Konsum jener Massen, die sich in den urbanen Räumen aufhalten. Also heute schon von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung, das sind über vier Milliarden potenzieller oder realer Abnehmer und Abnehmerinnen seiner Produkte.
Stadtnahe Landwirtschaft versus konsumorientierter agro-industrieller Komplex? Das hat sportliches Potenzial. Es mag zwar vorerst nur ein utopisches Gedankenspiel sein (oder auch wieder nicht, wenn die Anzeichen nicht trügen): gesetzt den Fall, nur ein Viertel der in Städten lebenden arbeitsfähigen Weltbevölkerung betriebe Landwirtschaft und das auch nur im Nebenerwerb, gesetzt also diesen minimalistischen Fall, dass bloß fünfundzwanzig Prozent der stadtsässigen Berufstätigen nebenher Lebensmittel und landwirtschaftlich generierte Energie produzierten (mit der heute zur Verfügung stehenden technischen und datenverarbeitenden Logistik wahrlich kein Kunststück), so wären das im Weltmaßstab schon heute mehr als eine halbe Milliarde zusätzlicher – ja, man dürfte sie so nennen: ‚in Städten ansässige Nebenerwerbslandwirte‘. Noch dazu solche, die als sogenannte Prosumer – Produzenten und Konsumenten in Personalunion – keinen großen ökologischen Fußabdruck hinterließen, weil sie ihre Produkte und Dienstleistungen hauptsächlich lokal, in unmittelbarer Nachbarschaft auf den Markt brächten.
Skeptikern sei in Erinnerung gerufen, wie unglaubwürdig, sagen wir um 1900, die Prognose geklungen haben mochte, dass es schon ein halbes Jahrhundert später in Haushalten der sogenannten besseren Gesellschaft (nicht zu reden vom Durchschnittshaushalt) keine Dienstboten, dafür jede Menge technischer Geräte zur Haushaltsführung geben würde. Die freigesetzten Dienstboten arbeiten nun in den Fabriken für Haushaltsgeräte. So wie die von der Agrarwirtschaft freigesetzten Landarbeiter und Landarbeiterinnen heute in den Produktionsstätten für Landmaschinen und in der Agrochemie zu finden sind. Wenn wir also hinsichtlich der ländlichen Szenarien darauf aufmerksam machen, dass es die Industrialisierung mit ihrem stattlichen Aufgebot an Maschinen und EDV dort zu agrarischen Großbetrieben gebracht hat, am Laufen gehalten von lediglich einer Handvoll Menschen, wo einst Dutzende Knechte und Mägde und Kohorten saisonaler Arbeitskräfte werkten, dann tun wir das natürlich mit Blick auf künftige urbane Landwirtschaftsszenarien erst recht. Diese – natürlich unter Berücksichtigung der anderen Ausgangssituation – lassen sich nämlich genauso gut analysieren und mit der nötigen Vorsicht vorhersagen, wie das bei der bereits weit fortgeschrittenen Entwicklung auf dem flachen Lande der Fall ist.
Wenn man einwendet – ein sehr treffender Einwand übrigens –, dass Industrie und Investmentkapital mit Sicherheit auch diesen Schauplatz betreten werden, sobald jene ‚neuen‘, sprich stadtnahen oder städtischen Formen landwirtschaftlichen Prosumertums ihre Marktreife bewiesen haben werden (und der Tag dafür ist nicht mehr fern), kann die Antwort nur lauten So what? Big Business und Investmentkapital werden, ob sie es wollen oder nicht, auf diesem Schauplatz ökologisch und sozial ganz andere Folgen zeitigen. Schon wegen der anderen Marktverhältnisse mit ihrer räumlichen und ideellen Nähe zwischen Produktion und Konsum.
„Ja, aber.“ Ein anderes Nutzungskonzept – ein anderes Raumkonzept. Vielleicht hat uns ja der Blick auf die Ernährungsfrage die Augen geöffnet für weitere Optionen des Urbanen und urbaner Denkungsart. Produktion, Konsum, Lebensweise und Lebensart werden lokal statt global verortet sein und Expansion findet weiterhin statt – doch nicht in die Breite sondern in die Höhe. Wie schon einmal, nämlich am Beginn der ‚klassischen‘ Moderne, sind die aufregendsten Formen neuester Metropolitan-Architektur die vertikalen. So betrachtet – durch die Brille der Architektinnen und Architekten, der Stadt- und Raumplaner-Community –, ist die ökologisch gewendete Postmoderne in ihrem Kern eine Renaissance. Sicher nicht die schlechteste Form unter den vielen denkbaren Neuauflagen der Moderne …
Ökologisch gewendet heißt: Wo die ‚klassische‘ Moderne*** etwa als Punkthochhaus-Architektur (schöne Beispiele stehen in Stockholm oder in Roehampton im Großraum London) ‚Architektur im Grünen‘ sein möchte und ihre Wohntürme sehr elegant, aber auch sehr raumgreifend einzeln in Parklandschaften plaziert (vgl. Tomaschek 1985, 17),**** nimmt die neueste Version, also die renaissancistisch-postmoderne Variante vertikalen Bauens, den Grünraum in die Höhe mit. Dadurch ist ihre Lizenz zur Verdichtung, über die sie neben der Erlaubnis zur hemmungslosen Nutzung des Luftraums ja ebenfalls verfügt, ökologisch nicht so bedenklich. Das Volumen an tier- und menschenfreundlichen, von vegetabilischen Elementen durchsetzten künstlich geschaffenen Biotopen in luftiger Höhe wiegt die Verdichtung, den horizontalen Flächenfraß beziehungsweise das Überbauen potenziellen Grünraums auf. Zumindest im Idealfall ist es so, wie ihn zum Beispiel die asiatische Metropole Singapur als gesetzliches Plansoll, das erfüllt zu werden hat, definiert. Diesem Ideal kosteneffizient, also durch Schaffung möglichst geräumiger Baukörper auf kleinstmöglicher Baufläche nahe zu kommen, zeichnet exzellente Architektur vor lediglich brauchbarer aus.

Zwei offene Stockwerksgärten eines Hochhauses in Singapur | © Globusliebe
Sind Vertical architecture, Vertical farming, Vertical green integrale Bestandteile des größten Bioms unseres Planeten? Die vorhin angesprochenen Themen – von Urban farming, Greenbelt- und anderen Raumplanungsmodellen, die sich durch gezielten Einsatz öffentlichen Grüns als gestalterisches und sozialpolitisches Mittel auszeichnen, bis hin zur ‚klassischen‘ Raumplanung mittels Architektur – gehören alle in den städtebaulich-stadtgeographischen und stadthistorischen Makrobereich. Dazu zählt auch die globale demographische Entwicklung, deren Bedeutung durch die Tatsache unterstrichen wird, dass nach recht glaubwürdigen Prognosen bis 2050 – also innerhalb einer einzigen Generation – die in Städten lebende Menschheit auf 75 Prozent der Weltbevölkerung angewachsen sein wird. Drei Viertel der für 2050 vorhergesagten rund zehn Milliarden Menschen, sprich siebeneinhalb Milliarden werden im urbanen Umfeld leben. Damit wird sich das Lebensmodell ‚Stadt‘ zu dem Biom schlechthin, zum typischen Biom des Planeten Erde gemausert haben.*
Was sich historisch-geographisch auf dieser Makro-Ebene abspielt und wie sich das abstrakt-typologische Weltbiom ‚Stadt‘ konkret in welchen Formen und lokalen Gestalten entfaltet und in welche unterschiedliche Biotope es sich dabei ausdifferenziert, das freilich ist Gegenstand der Mikrogeschichte; es gilt die allgemeinen Umrisse des Weltbioms ‚Stadt‘* in den unterschiedlichsten Farben auszumalen, um der vielen konkreten Maßnahmen, mit denen sich Städte den ökologisch-ökonomisch-demographischen Herausforderungen der Klimakrise theoretisch stellen könnten oder in der stadtpolitischen Praxis teilweise auch schon stellen, habhaft zu werden.
Dass das im engen Rahmen eines Blogs nicht geleistet werden kann und soll, bedarf keiner weiteren Erörterung. Literatur und Netz quellen über von Beispielen innovativer Methoden architektonisch-städtebaulicher Natur, die alle mit dem offensichtlichen Ziel gesucht, gefunden und eingesetzt werden, die Lebensqualität der Stadtbewohnerin, des Stadtbewohners zu verbessern, und zwar ungeachtet ihrer Herkunft aus der Menschenwelt oder dem Reich der Tiere oder Pflanzen. Die Krise ist, wie gesagt, schon lange da: als Krise des Raumes – Grünland-, Freiraum-, Bodenschwund –, als Energie- und Ressourcenkrise, als Umweltkrise und Krise der Lebensqualität, wozu (um nur die auffälligsten zu nennen) so unterschiedliche Phänomene wie Klimakrise und Naturzerstörung, Artenschwund und Sinnkrise zählen. Die Krise ist da; Lösungsversuche als Versuche, resilienter zu werden (frühere, weniger skeptische Generationen sprachen sogar von Krisenfestigkeit), folgen ihr auf dem Fuße.
Wenn das künftige Welt-Biom* ein zutiefst urbanes ist; und wenn es als Summe der in ihm vereinigten Biotope tüchtig genug sein soll, um das zu leisten, was jedes gute Biotop schon für sich genommen zu leisten hat – so stabil wie nötig, so dynamisch wie möglich zu sein, um historisch bestehen zu können … wie darf man es sich als vorsichtig-skeptisch in die Zukunft blickender Historiker vorstellen? Was kann man sich innerhalb der bloß angedeuteten Konturen, wie der Volksmund so treffend sagt, ausmalen?
Die bereits heute weltweit zwar noch punktuell, aber doch signifikant genug in Erscheinung tretenden Umgestaltungen urbaner Großlebensräume können nicht mehr ignoriert werden. In der Historiographie zielt man sicher nicht von Haus aus auf Trendforschung ab; soviel lässt sich aber aus den Entwicklungen des letzten Jahrhunderts – oder des letzten halben Jahrhunderts – für das nächste halbe Jahrhundert extrapolieren, dass es zu einer radikalen Revision der Raumordnung kommen wird, wo in den Beziehungen von Stadt und Land, Zentrum und Peripherie – die Formulierung mag ein wenig abgegriffen sein, passt hier aber perfekt –: ‚kein Stein auf dem anderen bleiben wird‘.
Das urbane Biom auf dem Prüfstand: Erstens, Landwirtschaft. Weil schon die Aufklärer darauf bestanden haben, dass alles, was zum Bonheur, zum Wohlergehen der Menschheit führt, mit dem Terroir, dem fruchtbaren Mutterboden anfängt und der wichtigste Beruf der des Cultivateur, des Laboureur, des Feldbestellers vulgo Landwirts sei, soll auch in der Analyse des urbanen Weltbioms ‚Stadt‘* zuerst die Landwirtschaftsfrage erörtert werden. Trocken-apodiktische Feststellung: Sie wird eine urbane Landwirtschaft sein (urban als aufgeklärt humanistisch zu lesen) – oder sie wird nicht sein. Frei nach Nietzsche: „Die Wüste wächst – weh dem, der Wüsten birgt.“
Im engeren Sinne urban ist sie mancherorten schon jetzt. Und es zeigt sich, dass der Gegensatz zwischen ökologisch bedenklich oder ökologisch korrekt nicht an der Frage festzumachen ist, wie ‚industrialisiert‘ sie sei – gesetzt nämlich, man versteht das Phänomen der Industrialisierung von der Rolle her, welche Wissenschaft dabei spielt. Urbane Landwirtschaft ist schon heute und wird in Zukunft noch viel ausschließlicher Agrikultur der höchsten Bildung sein, des größten Vertrauens auf ihr theoretisches Fundament, mit einem Wort: der wissenschaftlichen Herangehensweise (scientific approach).Das schließt alle möglichen Renaissancen und Wiederentdeckungen ‚traditioneller‘ Landwirtschaft nicht aus sondern ein.
Was es aber definitiv ausschließt, sind zwei Extreme. Unverträglich mit urbaner Agrarisierung ist einerseits der spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Weltherrschaft gelangte agro-industrielle Komplex als sozio-ökonomische Diktatur einer einzigen Produktions- und Konsumtionsweise unter Ausschluss jeglicher Alternativen.
Das zweite mit urbaner Agrarisierung unverträgliche Extrem stellen die weltweit als Kollateralschaden des agro-industriellen Komplexes auftretenden Rudimentär- und Verfallsformen von ‚Landwirtschaft‘ dar. Das sind die verschiedenen auf unterster sozialer Stufenleiter stehenden, im Grunde gar nicht artisanal sondern dilettantisch, von naturferner Warte aus durch eine depravierte Weder-Stadt-noch-Landbevölkerung (Karl Marx prägte dafür den plastischen Begriff Lumpenproletariat) betriebenen Varianten reiner Bodenausbeutung. Eine solche Landwirtschaft im Stadium ihres Verschwindens reicht von der mit raschem Verfallsdatum versehenen Übernutzung erschöpfend bewirtschafteter Böden in Gebieten jüngst gerodeter Primärvegetation (gleichgültig, ob in den Tropen oder wie neuerdings auch in subpolaren Zonen) bis zu Betriebsformen in den sogenannten Industrienationen, wo sich, nach dem Umstieg auf mechanisierte Formen von Ackerbau und Viehzucht, ein bäuerlicher Mittelstand hoch verschuldet seinem raschen Ende entgegeneilen sieht.
Alle anderen denkmöglichen oder schon realisierten Formen eines pfleglichen landwirtschaftlichen Umgangs mit natürlichen Ressourcen (das Zwillings-Kennwort lautet Nachhaltigkeit | Umweltverträglichkeit) passen perfekt ins urbane Konzept, lassen sich, um es auch für den Liebhaber, die Liebhaberin abstrakt-philosophischer Formulierungen angemessen auszudrücken, ins Narrativ einer modern-postmodernen Globalgeschichte der Stadt, Weltstadt, Megastadt, Metropole … oder wie immer die Etikettierung lauten mag, als Teil-Erzählungen perfekt einfügen.
Unter ökologischen Gesichtspunkten bedeutet ‚modern-postmodern‘ vor allem klimafit. Outdoor- oder Indoor-Farming, betrieben im eher konventionellen Hochbeet- oder als technikaffines Hydroponik-Verfahren,****** Stockwerks-, Nachbarschafts- oder Dachgärten, gewinnorientiert bewirtschaftet oder multifunktional zur Verfügung gestellt als soziale Allmende, als Erholungs- und Kommunikationsraum für Mensch und Tier (darunter eine stetig wachsende städtische Brutvogelpopulation) – was allen diesen typisch urbanen, innovativen und benutzerfreundlichen, basisdemokratisch-bürgernahen Nachbarschaftsmodellen gemeinsam ist: ihr minimaler ökologischer Fußabdruck bei maximaler ökologischer Wirkung. Und last not least: Role Models wie das in dieser Hinsicht (wieder einmal) besonders avantgardistische New York liefern auch den Beweis, dass mit ökologischer Verträglichkeit, passgenau eingefügt ins Narrativ des American Way of Life, ein Glück (Bonheur) nach Art der Ökonomie einhergehen kann: das materielle Glück des Wohltäters, der mit urbanem Ackerbau seinen Profit macht (vgl. Bullinger | Röthlein 2012, 113 f.).*****
Das urbane Biom auf dem Prüfstand: Zweitens, Raumordnung. Weil sie so bedeutungsvoll ist und vor allem äußerst folgenreich für das Bienestar, das Bonheur, das Wohlergehen der Menschheit, sei sie noch einmal in Erinnerung gerufen, die Zahl der Individuen der Spezies Homo sapiens, welche nach einer glaubwürdigen Prognose um die Mitte des 21. Jahrhunderts das urbane Biom bewohnen werden: 7,5 Milliarden.
Zwei Drittel der Weltbevölkerung auf einen verhältnismäßig kleinen Teil der bewohnbaren Fläche des Planeten zusammengedrängt – wie viel Raum die größten Megastädte auch einnehmen und wie sehr sie ihre Umgebung dominieren werden … es wird stets ein relativ beschränkter, auf die Geographie des Planeten und dessen Großräume inklusive Weltmeere bezogen gewissermaßen überschaubarer Raum sein. Soviel steht fest – je ökologisch verträglicher sie sein werden, je besser angepasst an ihre Umwelt, desto übersichtlicher und kompakter werden sich jene megastädtischen Bezirke innerhalb ihrer weiten, im Vergleich zu ihnen selbst geradezu grenzenlos weiten Umgebungen ausnehmen.
Diese Umgebungen werden sie wahrscheinlich mehr oder weniger ringförmig umschließen (Ruedo, ‚Ring‘ nennt man auch in Spanien seit Menschengedenken die unmittelbare Umgebung der traditioneller Weise immer schon sehr kompakt angelegten Städte … by the way eine der interessantesten und zukunftsfähigsten Interpretationen des alten Problems der Siedlungsgeographie – nämlich wie sich das Land, von der Stadt aus betrachtet, ausnimmt). Zersiedelung sieht anders aus und war nie Thema einer urban denkenden, urban fühlenden, urban wirtschaftenden Gesellschaft. Soviel hat die aufmerksame Leserin, der mitdenkende Leser schon begriffen: Es ist nicht von der Gesellschaft nördlich der Alpen die Rede. Dort ist Zersiedelung, Zerstückelung, Zerfledderung besonders der stadtnahen Landschaft die Regel.
Zurück zur Weltbevölkerung und ihrem stadtgebundenen Wachstum. Es bedarf keiner überragenden mathematischen Kenntnisse oder besonderer Geschicklichkeit im Aufstellen von Statistiken, um eine logische Verbindung herzustellen zwischen dem Wachstum kompakter, sprich infrastrukturell gut funktionierender Millionenstädte und dem mehr oder weniger markanten Entstehen nicht-urbaner Räume, die sich in demographischer Hinsicht als das schiere Gegenteil jener dicht besiedelten Kernzonen erweisen: SIE SIND LEER. Gesetze der Evolution gelten auch für die Geographie.
Wenn es stimmt (wie weiter oben geschlussfolgert wurde), dass ein Biotop à la longue nur dann überdauert, wenn es ökologisch angepasst ist, wenn es also dauerhafte Grundlage für ein dynamisch-stabiles Biom* zu sein vermag – dann werden benachbarte Biotope in einen Konkurrenzkampf geraten: Auf dem Prüfstand (und auf dem Spiel) steht ihre Attraktivität als Grundlage möglichst vitaler, das heißt möglichst arten- und individuenreicher Biome; mit anderen Worten, als Playground möglichst großer Gemeinschaften möglichst vieler Arten im dynamischen Gleichgewicht. Biome, die diesem evolutionären Sollwert besser entsprechen als ihre Nachbarn, werden diesen das evolutionäre Wasser abgraben.
Im Fall von ökologisch optimal angepassten urbanen Biotopen wird sich das in der Demographie zeigen; hinter den demographischen Zahlen stehen natürlich die wirtschaftlich-sozialen Gegebenheiten; hinter der Attraktivität als Wohnort steht dessen Attraktivität als Garant höherer Lebensqualität, ökologisch-sozial gesprochen: als Raum der kurzen Wege, der billigen und verlässlich fließenden Energie, der ausgewogenen Verhältnisse von ‚Arbeit‘ und ‚Freizeit‘ (wie immer diese beiden dann definiert sein werden) sowie last not least als Begegnungsort von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘, als Hotspot dessen, was man das Symbolische Kapital des Wohlbefindens nennen könnte, welches immer dann gesucht und gefunden werden möchte, wenn die Basisbedürfnisse gestillt sind.
Ein letztes Mal zum agro-industriellen Komplex – und dessen nicht weniger konventionellen ‚Partnern‘ unschönen Angedenkens: Raubbau und Entwaldung, Flächenfraß, Ressourcenraub und Denaturierung. Deren Auswirkungen betreffen in erster Linie – genau! Nicht den urbanisierten Raum. Verwüstet und entwertet wird durch sie der ländliche Raum, was dessen Attraktivität als Lebensraum – und darüber hinaus als eigenständiges, wettbewerbsfähiges Biom – weiter mindert. So wie die Dinge in der postmodernen Wüste namens Weltallmende stehen, kann ‚Stadt‘ nur gewinnen (vgl. Liedl 2022, 280 ff., 293 ff., 305 ff.).*
Das urbane Biom auf dem Prüfstand: Drittens, Artenvielfalt und strukturelle Diversität. „Die gängige These, dass die ‚böse Stadt das gute Land frisst‘, ist nicht mehr haltbar!“ Genau. Einer der führenden Biologen im deutschsprachigen Raum wird nicht müde zu betonen, was sich langsam, sehr langsam, auch im öffentlichen Bewusstsein durchzusetzen beginnt und jener Binsenweisheit, die Stadt sei eine Betonwüste, in der nichts gedeihe, diametral entgegen steht. Urbane Landschaften sind für Flora und Fauna wahre Hotspots, und das Zusammenleben zwischen menschlichen und tierischen Stadtbewohnern „funktioniert meist hervorragend“. Womöglich noch wichtiger ist ein anderes Phänomen. Fest verankert in der ‚urbanen DNA' ist die Renaissance des Allmende-Gedankens, mit anderen Worten, Flora und Fauna „werden völlig zu Recht als Allgemeingut betrachtet, über das einzelne Interessenträger nicht allein verfügen dürfen“ (Reichholf 2023).*
Derzeit befindet sich die Welt der Städte in einer kritischen Übergangsphase, worin sich der Gegensatz Stadt-Land einem Kulminationspunkt nähert, ja vielleicht einem echten Kipppunkt. Wovon Flora und Fauna, wenn sie in die Stadt einwandern, profitieren, ist ja ein auf den ersten Blick höchst unorthodoxer Zustand: Das sogenannte flache Land verliert rasant an Lebensfreundlichkeit, seine Vitalpotenz schrumpft, während sie in der Stadt zumindest im selben Ausmaß, wahrscheinlich sogar darüber hinaus zunimmt. Da muss man nichts hineingeheimnissen – die Ursachen sind – um die Sache zugegebener Maßen plakativ, aber leider faktennah zu formulieren – in der Überausbeutung ausgeräumter Landschaften zu finden (sofern sie eben keine Stadtlandschaften sind), in einer uniformen Agrarstruktur, im Wildwuchs pseudo-urbaner (suburbaner) Bebauung, im profitgetriebenen Versiegelungswahn. Dem gegenüber sind urbane Lebensräume Schutzzonen, Rückzugsgebiete und inoffizielle ‚Nationalparks‘, von denen aus – wenn es denn je dazu kommen sollte – eine Wiederbesiedlung des Umlandes (das seinen Charakter allerdings zuvor gründlich ändern müsste) erfolgen mag.
Der Biologe Reichholf schildert das ‚Naturschutzgebiet Stadt‘ als das, was es ist – eine Wiederaufnahme des Allmende-Gedankens, wonach, wie es ein englischer Jurist der frühen Neuzeit einst als Rechtfertigung für strenge Forstgesetze seinem König in den Mund gelegt hat, zum Begriff der ‚Nation‘ – also aus städtischer Sicht zur Nachbarschaft, zur Community, mediterran gesprochen zu den Vecinos – auch die anderen, die nicht-menschlichen Lebewesen gehören (vgl. Manwood 1717, 143; Liedl 2022, 94 ff.).* Reichholf: „Immer mehr dehnt sich diese Haltung auch auf die Säugetiere aus. Nicht nur Eichhörnchen werden beobachtet und gefüttert, sondern auch Biber an Stadtgewässern, Waschbären in Hinterhöfen, Füchse im Garten und die Igel ganz allgemein, obgleich gerade sie wirklich keine Streicheltiere sind. Ein gewisser Trend, Gärten schmetterlings- und wildbienenfreundlicher zu gestalten, macht sich bemerkbar. Baumschutz gehört zur Selbstverständlichkeit.“*

Schlauer urbaner Nischenfuchs | © Josef H. Reichholf
Das eigentliche Geheimnis städtischer Artenvielfalt und der biologischen Tragfähigkeit von Stadtlandschaften ist natürlich nicht die aufgeklärt-naturalistische Denkungsart einer tier- und pflanzenfreundlichen Stadtbevölkerung; der eigentliche – ‚objektive‘ – Grund ist ein struktureller, auf ökologisch-geographischen Faktoren beruhender Wirkzusammenhang (cause-effect correlation). Das wird klar, wenn man die aufgrund der Territoriumsgröße theoretisch zu erwartende mit der im Stadtgebiet tatsächlich festgestellten Populationsgröße bestimmter Schlüsselarten (zum Beispiel Brutvogelarten) vergleicht. Hören wir wieder den Biologen:
„Zur Vogelwelt ist zu sagen, dass ihr Artenreichtum mit der Flächengröße der Städte ansteigt. Doch der Flächeneffekt erklärt nur etwa die Hälfte der Artenvielfalt. Die allermeisten Städte liegen deutlich über dem ihrer Flächengröße gemäßen Erwartungswert […]. Dass dem so ist, liegt an der besonderen Vielfalt an Strukturen, die es in den Städten gibt. Was ist mit ‚Strukturvielfalt‘ (wissenschaftlich: struktureller Diversität) gemeint? Sie umfasst nicht allein die uns geläufigen Hauptbestandteile, wie Gebäude, Straßen und Verkehrstraßen, Gärten und Parks sowie die Gewässer in der Stadt, sondern für jede dieser Kategorien zahlreiche Detailstrukturen. […] Kein natürlicher Lebensraum erreicht in dieser Hinsicht eine vergleichbar hohe Strukturvielfalt. Das gilt wiederum grundsätzlich auch für das enorm dichte Netzwerk von Straßen und Trassen, die verbinden und trennen. […] Zu dieser Raumstruktur am Boden mit tausendfacher Wiederholung in dennoch nie gleicher Version kommt eine weitere Strukturierung in der Vertikalen hinzu. Von offenem oder kurzrasig gehaltenem Boden über angelegte Beete mit unterschiedlicher Bepflanzung bis zu knie-, brust- oder übermannshohen Hecken entlang der Umzäunung und unterschiedlich hohen Bäumen reicht das Strukturspektrum.“*
Man vergleiche damit die durchschnittliche agrarisch-industriell genutzte Landschaft außerhalb der Städte. Das Wort ‚Wüste‘, so gerne gebraucht, um Stadtlandschaften zu beschreiben (‚Betonwüste‘) – wäre es nicht zur Definition des flachen Landes (und wie es heute genutzt wird) viel besser geeignet? Ist nicht das Wort Agrarsteppe in diesem Zusammenhang – – – purer Euphemismus?
Schöne neue Welt der Städte? Ein Fazit. Unsere Überlegungen zur Welt im klimabedingten Krisenmodus waren von der Überzeugung ausgegangen, dass die urbane Landschaft wie keine zweite den generellen Zustand des Globus wie in einem Spiegel, ja wie im Zerrspiegel vergrößert, vergröbert wiedergebe. Wenn man sich aber die Antworten ansieht, welche ‚die Natur selbst‘ in Gestalt zahlreicher Lebewesen gibt, denen Städte offensichtlich lieber sind als ihre angestammten ländlichen Provinzen, dann muss man sich sagen: wir Urbanen jammern eindeutig auf hohem Niveau.
Doch umgekehrt betrachtet, passen Jeremiaden und Fasziniertsein von urbanen Lebensräumen eigentlich ganz gut zusammen – halbwegs ernst genommen wird man als pessimistischer Jeremias, als Prophet der Katastrophen nur in der Stadt (‚Stadt‘ als Synonym verstanden für jenen Ort, wo Kants Dictum vom ‚Ausgang aus selbst verschuldeter Unmündigkeit‘ mehr oder weniger gilt). Nur die urbane Lebens- und Denkungsart ist dünnhäutig genug, Gefahren so zu wittern (ich sage nicht: wahrzunehmen), dass sich Lösungen vielleicht gerade noch ausgehen. Auf dem flachen Lande – das weiß man seit Ur und Uruk, seit Babylon und dem antiken Rom – sind die Bärenhäuter zuhause. Soviel zum Thema Dickfelligkeit.
„Als Stadtbewohner mag der Mensch dem Klimawandel einigermaßen erfolgreich Tribut zollen. Auch außerhalb der städtischen Agglomerationen, in den stadtnahen oder stadtfernen, mehr oder weniger kultivierten Ruedos (ringförmigen Landschaftszonen) werden sich mit oder ohne des Menschen Zutun Floren- und Faunenelemente neu, das heißt klimagerecht formieren, mischen und einnisten. Je näher zu den megalopolen Gravitationszentren einer dicht besiedelten Menschenwelt diese ‚Ringe‘ und ‚Zwischenräume‘ zu liegen kommen werden, desto artifizieller und abhängiger von agro-kulturellen Systemen und Kreisläufen werden sie sein. So werden sich relativ kleinräumig gestaltete Landschaften, in denen sich Vieh- und Wildtierzucht* mit Ackerbau und Gartenbau mischen, nach außen graduell zu immer einförmigeren, großartigeren und vor allem menschenleeren Räumen wandeln, in denen nun tatsächlich einem alten Ideal des Tier- und Pflanzenschutzes entsprechend Natur ‚sich selbst überlassen‘ bleiben kann. Vielleicht sind solche Zwischenräume und Ränder nicht gefeit davor, sich in Grauzonen der Ausbeutung zu verwandeln. Was es dennoch mit Sicherheit geben wird: Tabuzonen des sozusagen wieder hergestellten Gleichgewichts. Und seien es auch nur einige tolerierte Zwischenräume, Naturkorridore als Verbindungsachsen von Biotop zu Biotop“ (Liedl 2022, 307 ff., Zitat leicht verändert, gekürzt).*
Man mag dieses Szenario für wahrscheinlich halten oder auch nicht. Im letzteren Fall müsste man freilich zur (Öko-)Logik postmoderner, vertikal verdichteter (Mega-)Städte vom Typus Singapur oder Seoul separat Stellung beziehen und erklären, wie angesichts der Perfektion, ökologischen Verträglichkeit, Nachhaltigkeit und Lebensfreundlichkeit des urbanen Zentrums eine Peripherie aussehen muss, um mit so viel Vorsprung auch nur einigermaßen mithalten zu können; wie sie als nicht-urbane, strukturarme Peripherie die Start- und Nischenvorteile der raumsparend, weil vertikal verdichteten, energieeffizient gestalteten, mit Infrastruktur überreich ausgestatteten Metropole auch nur einigermaßen wettmachen kann. Die Stadtgeschichte der letzten zweihundert Jahre scheint zu lehren, dass wachsende urbane Zentren zwar einerseits das Umland ‚zersetzen‘ – sprich die eigenen Strukturen krebsartig in dieses Umland hinaus verlängern (mit ökologisch nicht unbedingt negativen, wiewohl sicherlich oft ambivalenten Folgen) –, andrerseits aber jenseits dieser Grau- und Vermischungszone einen weiteren ‚Ring‘ erzeugen – man könnte auch von einem Vakuum-ähnlichen Zustand sprechen –, wo Verödung und Ausdünnung herrschen.
Die Agrargeschichte der industriellen Ära sekundiert dieser Erkenntnis – und liefert ein indirektes Argument für die Strukturgesetzlichkeit der Stadt-Land-Divergenz. In den letzten 100 Jahren haben sich die Hektar-Erträge (Beispiel: Weizen) um mehr als 400 Prozent gesteigert, gleichzeitig sank die Rendite um etwa 25 Prozent (Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln: vgl. Rossi 2009, 114).*

Preisentwicklung Lebensmittel 1900–1990 | © Alessandro Rossi
So grob das Bild ist, das die Statistik hier bietet, die Aussage und deren Konsequenzen sind klar. Die als Basis für Ertragssteigerung unabdingbare Strukturbereinigung, ist gleich Vergrößerung der Anbauflächen bei gleichzeitiger Verödung des Landschaftsbildes, ist gleich Ausräumung der Landschaft bis hin zur sprichwörtlichen Agrarwüste, spiegelt strukturgesetzliche Vorgänge innerhalb eines ökonomischen Kalküls, zum Beispiel die abnehmende Profitrate. Diesen Vorgang – dass sich ein ökonomisches Gesetz auf einem ökologisch-landschaftlichen Zustand sozusagen eins zu eins abbildet, ja geradezu spiegelt – gibt es im urbanen Raum in dieser Form nicht.
Wie auch immer. Klimafitness im urbanen Raum bedeutet – egal, was dafür an Maßnahmen im konkreten Fall getroffen werden muss: wenn man damit Erfolg hat, erhöht sich die Attraktivität des ‚Weltbioms Stadt‘ abermals um ein gutes Stück. Was dann wohl auch gleichbedeutend ist mit der Vergrößerung des Abstands zu all jenen Biotopen (und Biomen), die über jene Start- und Nischenvorteile ihrer urbanen Nachbarn nicht verfügen.
Für die Menschen bedeutet das eine deutliche Verschiebung überkommener Lebensweisen und Verhaltensmuster. Die ‚Ringe‘ rund um die urbanen Groß-Zentren, also jene peripheren Übergangs- und Grauzonen mit ihren abnehmenden ökologisch-ökonomischen Qualitäten werden eines mit hoher Wahrscheinlichkeit sein: relativ menschenleer. Dünn besiedelt, wie sie dann sind, mag sich sogar so etwas wie eine ökologische Trendwende in und an ihnen ereignen. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Möglicher Weise werden sie auch zu Spielwiesen einer privilegierten Klasse von Nutzern, die aus dem volkswirtschaftlichen Wertverlust ganzer Landstriche einen persönlichen Gewinn ziehen – Stichwort Luxus-Latifundie in garantiert ruhiger Lage. Den damit verbundenen enormen Aufwand für eine halbwegs passable Infrastruktur wird man sich eben ‚leisten‘, wie man sich Luxusyacht und Privatjet ‚leistet‘ – als fürs Prestige unverzichtbares Symbolisches Kapital.
Volkswirtschaftlich entscheidend hingegen ist die produzierend-konsumierende Masse; welche – wenn die Prognosen richtig liegen – um die Mitte des Jahrhunderts 7,5 Milliarden Stadtmenschen stark sein wird (drei Viertel der Weltbevölkerung). Für die Stadtlandschaft bedeutet das: genau hier und nirgendwo anders wird sich die Wertschöpfung abspielen. Und die Menschen selbst (nebst der kopfstarken und artenreichen Mitbewohnerschaft aus dem Tier- und Pflanzenreich)? Werden sie an ihrem strukturierten und diversifizierten Lebensmittelpunkt sesshaft? Wird ihre Mobilität zu- oder abnehmen? Wie globalisiert wird diese neue Community of urban dwellers noch sein, wenn sich praktisch alles, was Homo sapiens an Voraussetzungen für Bonheur benötigt, vor Ort befindet? Vertikales Wachstum an Orten der kurzen Wege mag man ja auch so interpretieren, dass die zu ebener Erde zurückgelegten Distanzen ebenfalls eher kurz sein werden.
Die Fragen sind natürlich immer noch die selben: Wer gewinnt? Wer verliert? Wer verzichtet worauf? Und wer nicht – im neuen, kompakten, vertikalen Lebensraum Stadtlandschaft? Möglicher Weise werden sich Naturgenuss, Unterhaltung, Erholung – gesetzt, diese Kategorien sind bis dahin noch nicht verschwunden – nur mehr für die Wenigsten an fernen Ufern abspielen oder mit exotischen Orten verbinden. Wie gesagt … gut möglich, dass der Hang zur Sesshaftigkeit inmitten grüner Öko-Stadtlandschaften wächst. Man soll den Wert der guten Nachbarschaft nicht unterschätzen. Das wussten schon die alten Polis-Zivilisationen.
In der Kommunikation, also digital, ist man ja ohnedies von Geburt an postmodern.
Will sagen: Weltbürger.
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*Zur typischen Reaktion des Menschen auf die ‚Klimaschaukel‘ vgl. Gottfried Liedl: Ökologiegeschichte. Ein Reader zum interdisziplinären Gebrauch, Band 1: Konturen, Teilband 1/1 – Das Anthropozoikum. Turia und Kant: Wien – Berlin 2018, 90 ff.
*Zur Stadtökologie vgl. Gottfried Liedl: Das Zeitalter des Menschen. Eine Ökologiegeschichte. Turia + Kant: Wien – Berlin 2022, 243 ff. (besds. 280 ff., 293 ff., 305 ff.)
*Zur urbanen Artenvielfalt vgl. Josef H. Reichholf: Stadtnatur. Eine neue Heimat für Tiere und Pflanzen. Oekom-Verlag: München 2023.
*Zur englischen Forstgesetzgebung vgl. John Manwood: Manwood’s Treatise of the Forest Laws. Edition: William Nelson. 4th corr. & enl. ed. London 1717.
*Zum post-industriellen Szenario stadtnaher Landschaften mit Game Farming (Literaturauswahl):
John Dawson Skinner: An appraisal of the eland as a farm animal in Africa. Animal Breeding Abstracts, 35 (1967), 177–186; John Dawson Skinner: Productivity of the eland: An appraisal of the last five years research. South African Journal of Science, 67| 12 (1971), 534–539; Günter Reinken: Damtierhaltung. 2., neubearbeitete Auflage. Stuttgart 1987; Markus Nuding: Potential der Wildtierbewirtschaftung für die Entwicklungszusammenarbeit. Studie, erstellt im Auftrag des Tropenökologischen Begleitprogramms (TÖB) der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Eschborn 1996; Christoph Schüle: Ökosystemare Aspekte von Wildtiernutzungsstrategien auf der Südhalbkugel. Inaugural-Dissertation, Fachbereich VI (Geographie | Geowissenschaften) der Universität Trier. Trier 2004.
* Zur Entwicklung der Agrarpreise: Alessandro Rossi: Agrarpreise. Wiederholt sich die Geschichte? In: AGRAR Forschung 16 | 4 (2009), 112–117.
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* Definitionen:
BIOM
In den Biowissenschaften wird als Biom die vorherrschende Lebensgemeinschaft beziehungsweise das vorherrschende Ökosystem eines ausgedehnten Bereichs der Erdoberfläche in seiner Gesamtheit bezeichnet. Damit sind Biome konkrete Großlebensräume mit den real oder potenziell, nur der Möglichkeit nach darin vorkommenden Pflanzen, Tieren, übrigen Organismen und den unbelebten Bestandteilen. In geographischer Hinsicht bildet der Ausdruck Biom somit den Oberbegriff für ein strukturell bedingtes Ensemble auf einander bezogener und von einander abhängiger Biotope (Lebensräume).
BIOTOP
Durch bestimmte Pflanzen- und Tiergesellschaften gekennzeichneter Lebensraum; bzw. Lebensraum einer einzelnen Art.
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** Stadt und Land:
Hansjörg Küster: Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa – von der Eiszeit bis zur Gegenwart. 4., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. München 2010, 376 ff.;
Gerlind Weber: Der (strukturschwache) ländliche Raum in Österreich – eine Standortbestimmung. In: Hubert Christian Ehalt | Josef Hochgerner | Wilhelm Hopf (Hg.): „Die Wahrheit liegt im Feld“. Roland Girtler zum 65. LIT Verlag: Wien 2006, 78–90, hier: 81 f.;
Gerd Sammer | Gerlind Weber et al.: MOVE – Mobilitäts- und Versorgungserfordernisse im strukturschwachen ländlichen Raum als Folge des Strukturwandels. Im Auftrag des Rektors der Universität für Bodenkultur sowie der Landesregierungen von Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark. Wien 2002.
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*** Moderne und postmoderne Architektur (Literaturauswahl):
Leonardo Benevolo: Die Geschichte der Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts. München 1978 ff. [Bari 1960]; Kenneth Frampton: Die Architektur der Moderne. Eine kritische Baugeschichte. Stuttgart 1983 [London 1980]; Paul Goldberger: Wolkenkratzer. Das Hochhaus in Geschichte und Gegenwart. Stuttgart 1984 [New York 1981]; Thilo Hilpert (Hg.): Le Corbusiers „Charta von Athen“. Texte und Dokumente. Braunschweig – Wiesbaden 1984; Charles Jencks: Die Sprache der postmodernen Architektur. Die Entstehung einer alternativen Tradition. Stuttgart 1980 [London 1977 ff.]; Charles Jencks: Spätmoderne Architektur. Beiträge über die Transformation des Internationalen Stils. Stuttgart 1981 [London 1980]; Philip Johnson: Texte zur Architektur. Stuttgart 1982 [Oxford 1979]; Le Corbusier (Schriften), hgg. von Willy Boesinger. Studio paperback: Zürich 1972 ff.; Le Corbusier: Städtebau, übers. u. hgg. von Hans Hildebrandt. Stuttgart 1979 [Reprint der Ausg. Stuttgart 1929]; Adolf Loos: Trotzdem. Wien 1982 [Unveränderter Neudr. der Ausg. Innsbruck 1936]; Nikolaus Pevsner: Europäische Architektur von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 1978 [Harmondsworth 1943]; Roland Rainer: Kriterien der wohnlichen Stadt. Trendwende in Wohnungswesen und Städtebau. Graz 1978.
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**** Monica Tomaschek: Das Schöpfwerk. Städtische Wohnhausanlage der Siebzigerjahre. Abschlussarbeit am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien (unveröff. Typoskript): Wien 1985.
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***** Hans-Jörg Bullinger | Brigitte Röthlein: Morgenstadt. Wie wir morgen leben. Hanser Verlag: München 2012.
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****** Hydroponik-Verfahren: