Die Zeit, in der es scheinen mochte, als hätten Natur- und Umweltschutz eine Zukunft. Abgesang mit Anlauf.

Gottfried Liedl am 25. Januar 2025

Siehe dazu auch BLOG # 15 vom 2. Januar 2023: „Lob der Bäume“

Als wir noch jung waren – in den 80-ern des vorigen Jahrhunderts –, waren Utopien von einer besseren Welt im Schwange, deren Verwirklichung man sich auch als kleines Rädchen – also im ganz persönlichen persuit of happiness, der naiven Suche nach Glück – irgendwie zutrauen mochte. Ohne Gefahr zu laufen, der gesellschaftlichen Lächerlichkeit, ja Marginalisierung anheimzufallen.

Obwohl – nun ja: Pioniere des Umweltschutzgedankens waren auch im letzten Drittel des Zwanzigsten Jahrhunderts eine eklatante Minderheit und wurden – Beispiel: der ‚Öko-Prinz‘ Charles, heute King Charles III., damals ewiger Thronfolger – in der britischen, notorisch boshaften, notorisch Konsumgesellschafts-hörigen Mainstream-Presse ordentlich ridikülisiert. Und auch im traditionell eher romantisch-naturbewegten Mitteleuropa standen die Ampeln für den Natur- und Umweltschutz auf Gelb, nein: Rot. Heute wird man vielleicht betonen, dass die Anfänge einer Grünbewegung nirgendwo stärker, lebendiger, intellektuell durchschlagskräftiger und personell besser aufgestellt waren, als, sagen wir, in den medial präsenten Teilen einer aufmüpfigen jungen Zivilgesellschaft der damaligen Bundesrepublik Deutschland – aber erstens finden dergleichen historische Würdigungen gemeinhin unter dem Vergrößerungsglas des Verallgemeinerns statt … und zweitens ist man im Nachhinein immer klüger.

Dennoch – verdienstvoll waren und bleiben sie schon, jene frühen Äußerungen einer Natur-affinen, Konsum-kritischen Intelligentsija, die das gesellschaftliche Ganze so in den Blick zu nehmen vermochte, dass es schließlich nicht nur ökonomisch sondern auch biologisch-ökologisch definiert war.

Pioniere und New Romancer. „Die Sache mit der Jagd“ nannte sich eine pointiert jagdkritische Publikation,* die auf Horst Sterns populäre deutsche Fernsehserie der 1970-er Jahre („Sterns Stunde“) Bezug nahm. Daran wurde weit über den eigentlichen Gegenstand hinaus im Namen einer ökologisch sensiblen, politisch aufgeklärten Öffentlichkeit Kritik an den zeitgenössischen respektive mit dem Label ‚modern-fortschrittlich‘ versehehen Formen der Naturnutzung geübt. „Unterm Strich blieben gravierende Zweifel an der Privatisierung von Naturgütern zu Lasten einer von dieser Nutzung ausgeschlossenen Zivilgesellschaft.“

So würde das ein Öko-Intellektueller heute vielleicht ausdrücken. Damals formulierte man natürlich nicht weniger intellektuell, wiewohl ein wenig ‚optimistischer‘, man könnte auch sagen: naiver … nämlich sozusagen ohne Hintergedanken: an das Gute im Menschen appellierend. In einer Biographie heißt es über den Pionier des ‚populären‘ Tier-, Natur- und Umweltschutzes im deutschsprachigen Raum recht zutreffend (wie mir scheint): „Sterns Thema war die Mensch-Tier-Beziehung, die er von der sentimentalen auf eine rationale, aber keineswegs gefühllose Ebene zu bringen versuchte.“**

Die Gründung der „Gruppe Ökologie“ 1972 (Horst Stern zusammen mit Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann und Josef H. Reichholf), gedacht als Protestbewegung gegen mangelndes ökologisches Bewusstsein der Industriegesellschaft, noch mehr aber die Gründung des „Bundes für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) 1975, zusammen mit Bernhard Grzimek, Hubert Weinzierl und anderen Umweltschützern, steht für diese – Achtung, ‚paradoxal-kalauerhafte‘ Formulierung – „proto-postmoderne“ Wende in der medialen, das heißt politisch wirksam sein wollenden Darstellung und Auffassung von ‚Natur‘; ein Aufruf zum Paradigmenwechsel hinsichtlich des Schutzes, vor allem aber hinsichtlich der Nutzung besagter ‚Natur‘. Ein Novum im Deutschland der Nachkriegszeit, also in einer der Leitfiguren westlicher Industriegesellschaften nach 1945. Gleichsam als dessen Symbol wurde 1980 von Horst Stern eine Zeitschrift mit hohen Ansprüchen gegründet – er gab ihr den lakonischen Titel NATUR.

Erwartungen, Ambitionen. Es war auch die Ära bemerkenswerter und bemerkenswert populärer Dokumentarfilme über Tier, Pflanze, Mensch … von Grzimek und Sielmann in Deutschland bis Rodríguez de la Fuente in Spanien. Genau dort begann für meine Lebensbegleiterin und mich das ökologische Abenteuer Gestalt anzunehmen, nachdem es sich jahrelang eher diffus als Reiselust oder in der Errichtung eines Damwildgatters manifestiert hatte: Ein Aufforstungs- und Renaturierungsprojekt im andalusischen Hinterland, wie es der Zeitgeist forderte, aber auch förderte.* Erwartungshaltung und Optimismus einer ins Naturverträgliche gewendeten Fortschrittsgläubigkeit – so könnte man unsere damalige Verfasstheit beschreiben, eine psychologische Neigung, welche die gesellschaftliche Utopie der 1970-er, 1980-er Jahre verblüffend genau wiedergab, nämlich jenen Glauben an die Machbarkeit des ökologisch-ökonomischen Wohlergehens im Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur. Dass es, wie man nicht müde wurde zu betonen,  „fünf vor zwölf“ sei, tat der Utopie keinen Abbruch, im Gegenteil: es erhöhte den Reiz.

Die Finca Los Gamos –  © G. Liedl

Im Kleinen wie im Großen war man der festen Überzeugung, dass die mit Elan, Einfallsreichtum und Zuversicht angestrebte Verfassung der Welt, ein Zustand von Bienestar (Wohlergehen), worin eine sich neu definierende ökologische Sensibilität zwischen Mensch, Tier und Pflanze, Boden, Luft, Feuer, Wasser (um auch der antiken Auffassung von den vier Elementen Rechnung zu tragen) die Balance halten würde. Kurz, man erweckte den Eindruck, dass dieser glückliche Zustand mit Händen zu greifen, ja fast schon erreicht war. This is the dawning of the age of Aquarius, age of Aquarius – Aquarius! sangen die Hippies und Althippies.**

Abgesang. Heute, nach einem weiteren halben Jahrhundert, ist, so scheint es, in die Aufbruchsstimmung mit ihrer zivilisatorischen Sendung, in die zum Greifen nahe Freundschaft aller Weltbürger (von der Mikrobe bis zu Homo sapiens) der Katzenjammer eingekehrt. Unpoetisch, nüchtern und skeptisch ausgedrückt, lautet das Fazit des Wassermann-Zeitalters so: „Klimaziele eklatant verfehlt, Landschaften zerstört, Wälder in Flammen, abgeholzt, vernichtet, Artenvielfalt on the brink …“ An der nicht vorhandenen Liebe zur Natur ist ja schon deswegen nicht zu zweifeln, weil sie der von Anfang an fehlenden Liebe des Menschen zum Menschen entspringt. Anders gesagt (und wieder ein wenig ‚poetisch‘): Wenn der Mensch dem Menschen ein Wolf ist (Homo homini lupus), ist er das natürlich auch für den Wolf. Zumal selbst Wölfe, wie die Naturgeschichte neuerdings lehrt, einander unter bestimmten Voraussetzungen ziemlich – menschlich begegnen. Also sehr unfreundlich.

„Wie das halt von Superprädatoren nicht anders zu erwarten ist,“ sagt der neue, ganz unwassermännische Zeitgeist.

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* Literatur:

Heribert Kalchreuter: Die Sache mit der Jagd. Pro und contra. München – Bern – Wien 1977

Heribert Kalchreuter: Die Sache mit der Jagd. Perspektiven für die Zukunft des Waidwerks. Stuttgart 2003

Monica Tomaschek: Eine Finca in Andalusien. Der lange Weg zum Garten Eden. MyMorawa:  Wien 2022

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Siehe auch

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** Links:

Horst Stern

Aquarius