Ich erinnere mich noch gut der ersten Begegnung mit Psittacula krameri … Es war vor vielen Jahren irgendwo an der Costa del Sol zwischen Málaga und Torremolinos. Die Beste aller Ehefrauen war in jenem phänomenalen Geschäft für Keramikwaren verschwunden, das es jetzt nicht mehr gibt, damals aber für gefühlt 80 Prozent unserer Küchen-, Haus- und Gartenausstattung sorgte. Ich blieb draußen und betrachtete das Meer hinter den hohen Palmen (nein, hier hätte mir die Erinnerung fast einen Streich gespielt – es war eine Gruppe mächtiger Eukalypten, und ja, dahinter rauschte das Meer). Und plötzlich dieses seltsame, vorher noch nie vernommene Geräusch – ein ehrlich gesagt nicht wirklich melodisches Konzert, das den verblüfften Zuhörer dennoch nicht missmutig sondern, im Gegenteil, fröhlich stimmte. Denn es stammte von einem Schwarm knallgrüner, äußerst munterer Vögel, denen man die exotische, will sagen tropische Herkunft unschwer ansah. Psittacula krameri, der Halsbandsittich, trat hier geräuschvoll in mein Leben – und hat seit jenem ersten Rendezvous an der Südküste Spaniens nichts von seiner Faszination eingebüßt. Im Gegenteil, die Beschäftigung mit diesem Neubürger Europas ließ mich seitdem nicht mehr los und mündete unter anderem in die Co-Autorschaft an einem Aufsatz über Europas Paradiesvögel. Das ist schon wieder eine andere Geschichte; und keine Sorge, eine zoologische Abhandlung über Sittiche und Papageien ist hier nicht vorgesehen – wer allenfalls wirklich mehr über Psittacula & Co. sowie die globalisierten Karrieren dieser und anderer bunter Vögel wissen möchte, sei auf das Netz beziehungsweise besagten Aufsatz verwiesen (Smetacek/Liedl 2017, Seite 140 ff.).*
Einmal aufmerksam geworden, bin ich dem ‚Europäer unter den Edelsittichen‘ überall begegnet – in Paris, in Köln, in Düsseldorf, in Rom … und natürlich immer wieder in meiner zweiten Heimat. In Málagas prachtvollem, zentral gelegenen Botanischen Garten entdeckte ich auch seine ganz spezielle Symbiose mit der ebenfalls von weit her, nämlich von jenseits des Atlantik stammenden Washingtonia (Washingtonia filifera) – die lautstarken grünen Gesellen nisteten zu Dutzenden in den großen, herabhängenden Bündeln abgestorbener Palmenblätter, die diesen spektakulären Bäumen ihr charakteristisches Aussehen verleihen.
Halsbandsittiche und Washingtonia an der Costa del Sol © G.Liedl
Halsbandsittich-Pärchen © Shadman Samee, Nachweis
Auch einen nicht minder lautstarken, nicht weniger fröhlich stimmenden Kollegen von Psittacula krameri habe ich seitdem in meiner spanischen zweiten Heimat entdeckt: Myiopsitta monachus, den ursprünglich aus Südamerika (Argentinien, Uruguay, Paraguay) stammenden Mönchssittich. Beide Spezies sind seit einigen Jahren in die Schlagzeilen geraten. Und leider nicht zu ihrem Besten.**
Mönchssittich © Luis Argerich; originally posted to Flickr as Birds from Temaiken, Nachweis
Ein neuerdings rauer Wind im öffentlichen Diskurs. „So füllt sich Spanien mit Sittichen“ (El País, 5.6.2018). – „Die Zahl dieser Vögel ist in den letzten drei Jahren um 33 Prozent gestiegen“ (SUBRAYADO, 8.10.2019). – „Papageien von Madrid zum Tode verurteilt; Stadtverwaltung lässt Mönchssittiche abschießen; Tierschützer wehren sich“ (La Vanguardia, 26.11.2021). – „Warum die Sittiche in Spanien ein Problem sind“ (malditaciencia, 23.12.2021).
Die Auswahl an Schlagzeilen aus einer fast unüberschaubaren Fülle ähnlicher Meldungen, die man allein in Spanien zum Thema Invasive Arten von den Medien serviert bekommt, spiegelt – ich nehme die Pointe vorweg – einen bemerkenswerten Umschwung, einen Paradigmenwechsel innerhalb der ‚offiziellen‘ Umweltbewegung. Hinter EU-Richtlinie und nationaler Gesetzgebung zur Kontrolle und Bekämpfung sogenannter invasiver Arten steht der neue Geist eines – ich finde keine bessere Bezeichnung – Ökofundamentalismus.
„Streut ihnen Sand in die Augen!“ Was man einem gestrengen Oberförster des 19. Jahrhunderts unterstellen durfte: die unbarmherzige Ausmerzung ‚böser‘ Elemente in der Natur … zum Nutzen der ‚guten‘, der erwünschten, der ‚nützlichen‘ Pflanzen und Tiere (aber nichts gegen gestrenge Oberförster, die zu ihrer Zeit und mit den damaligen intellektuellen und praktischen Mitteln ein Optimum an Wald- und Umweltschutz erzielten), fliegt einer sich aufgeklärt und sensibilisiert dünkenden Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert um die Ohren. Überall, von den Lehrstühlen für Ökologie bis zum kleinsten Verein für Umweltschutz ist der romantische Heimatbegriff, der Heimatbegriff der Romantik (das ‚Eigene‘ gegen alles bedrohlich Fremde zu verteidigen, die heimatliche Scholle vom Unkraut – der bösen Saat, der Saat des Bösen – zu ‚säubern‘) kein No go mehr.
Sieg der Agrar-Lobbys. Wessen Agenda der Ökofundamentalismus in Wahrheit (und hoffentlich nicht wissentlich) betreibt, wird deutlich, wenn man sich ansieht, welche Umweltprobleme die Umweltpolitik europaweit und auf nationaler Ebene nicht reguliert; welche Praktiken in Wald und Feld, in Ställen, landwirtschaftlichen Verarbeitungsbetrieben und Lebensmittelfabriken – mit anderen Worten: in den Kernbereichen der Volkswohlfahrt – legistisch unberührt bleiben. Wozu sich bekanntlich erst unlängst ein ‚schönes‘ europäisches Lehrstück ereignet hat (zur Farce von Straßburg siehe oben, BLOG # 26, vom 22. Juni 2023, ‚Das Imperium schlägt zurück‘). Leicht ist es, Listen von unwerten Lebewesen (Noxious Wildlife) zu erstellen; unendlich schwer bis unmöglich hingegen, dasselbe mit notorischen Umweltfrevlern, Institutionen, Konzernen, Betrieben zu tun.
Zweierlei Maß … doch ganz so dumm ist ‚die Öffentlichkeit‘ nicht. Zurück zu den Sittichen. Mich persönlich machten besonders jene Aktionen der Stadtverwaltung von Málaga betroffen, bei denen man sich offenbar Madrid zum Vorbild nimmt. Málagas Umwelt-Verantwortliche sehen es neuerdings als ökologisch sinn- und wertvoll an, unter den zu einer geschäftig-lauten mediterranen Hafenstadt perfekt passenden, auch von den Malagueñas und Malagueños selbst in keiner Weise als störend empfundenen gefiederten Neubürgern zu wüten und mit ihren Rollkommandos selbst ernannter ‚Schädlings‘-Vernichter in diversen Botanischen Gärten und Parks einzufallen.
„Abstoßend und dämlich.“ Nun ja. Der sich da äußern zu müssen meint, ist freilich selbst irgendwie zugewandert; somit könnte man sein Verdikt mit guten, weil logischen Gründen unter der Rubrik ‚unmaßgebliche Meinung eines wenig demütigen Exemplars der invasiven Sorte‘ ablegen und entsorgen.
Doch ist der Zugewanderte nicht allein. Auch Autochthonen gehen die hysterischen Alarmrufe, mit denen die Kakophonie der wahren Umweltgefährder übertönt werden soll, gehörig auf die Nerven.
„Der Stadtrat von Madrid scheint eine Führungsrolle im Krieg gegen die argentinischen Papageien übernommen zu haben und arbeitet seit einigen Monaten an einem der radikalsten Kontrollpläne. Das Wort ‚Krieg‘ ist in diesem Fall nicht ganz metaphorisch zu verstehen, denn wie von der Tierschutzpartei Pacma angeprangert, schießt das von der Stadtverwaltung von Madrid mit der Bekämpfung der Papageien beauftragte Unternehmen diese Vögel einfach ab …“ (La Vanguardia, 26.11.2021).
„Die Tierschutzpartei hat die Entscheidung des Madrider Stadtrats scharf kritisiert, und ihre Beschwerden […] lösten eine Welle von Reaktionen aus. […] Pacma verurteilte die Schüsse und verlangte Erklärungen vom Bürgermeister von Madrid, José Luis Martínez-Almeida, und dem Delegierten für Umwelt und Mobilität der Hauptstadt, Borja Carabante, dessen Abteilung bestätigt hat, dass diese Maßnahmen im kommunalen Plan enthalten sind ...“ (ebd.).
Wie schnell es gehen kann. Für Ausrottungsbefürworter ist es von Papageien zu größeren Tieren kein weiter Weg. Auch dem populationsdynamisch ganz unauffälligen, weil regelmäßig bejagten Bestand von Mähnenschafen (Ammotragus lervia: Mähnenspringer, engl. Barbary sheep, span. Arruí) im Südosten Spaniens geht es an den Kragen. Früher als faunistische Kostbarkeit angesehen und entsprechend pfleglich behandelt (immerhin ist – war? – der Bestand von Murcia die einzige wildlebende Population dieser Spezies auf europäischem Boden), steht Ammotragus lervia mit auf der Liste auszurottender, weil ‚landfremder‘ Spezies (Real Decreto 630/2013, vom 2. August 2013).
Mähnenspringer © Kevin Floyd, Nachweis 1; Nachweis 2
Rechtfertigung: „Ammotragus lervia ist ja in seinem nordafrikanischen Lebensraum nicht bedroht.“
Antwort: Die ebenfalls in Nordafrika heimische Säbelantlope soll dort noch bis zur Jahrtausendwende in einigen tausend Exemplaren gelebt haben – heute ist sie aus der freien Wildbahn verschwunden, nämlich ausgerottet.
Nachsatz: Wie zum Beweis des oben Gesagten stuft die IUCN (International Union for Conservation of Nature) Ammotragus lervia neuerdings als „gefährdet“ ein.
Aber die zuständigen Umweltbehörden (nie war das Bild vom Bock-als-Gärtner passender, obwohl ... auch wieder nicht, weil in diesem Fall die Böcke die Opfer sind) haben im Naturreservat Sierra Espuña (vor fünf Jahrzehnten eigens zum Schutz des Mähnenspringers geschaffen) ganze Arbeit geleistet – die einzige europäische Population einer offiziell immerhin als gefährdet eingestuften Art ist praktisch verschwunden. Ausgerottet von (und ich bin überzeugt, dass dies harte Wort hier nicht leichtfertig oder ungerechtfertigt steht) fanatischen 'Ökologen', sprich Fundamentalökologen.***
Ein Fall für den Staatsanwalt? In der Sierra Espuña wurden innerhalb zweier Jahre über 600 Arruí getötet – unwaidmännisch getötet, unter Missachtung der simpelsten (jagdethischen) Grundsätze. Das sind über 90 Prozent des ursprünglichen Bestandes. Nicht von Jägern, wohlgemerkt, wurde das Massaker verübt ... sondern von (hier zögert man unwillkürlich bei der Wortwahl) ‚Naturschutzbeauftragten‘ der Behörden (nebstbei gesagt, gegen den Willen der lokalen Bevölkerung). Von Rücksicht auf das Tierwohl oder eine respektvolle Behandlung der Umwelt keine Spur: Getötete Tiere wurden einfach in der Landschaft liegen gelassen, Schonung führender Muttertiere gab es offenbar keine, wenn man die Bilder aus den Medien (verwaiste Kitze, die neben dem Kadaver des Alttiers ausharren) nicht zu Fälschungen erklären will. Geprüfte Jäger verlören im Normalfall mindestens ihre Lizenz ob solch unethischen Verhaltens – übrigens auch gemäß spanischer (Jagd-)Gesetzgebung.
Nicht dass man mich falsch versteht ... Gegen eine gezielte, punktuelle, mit Hausverstand und Augenmaß betriebene Kontrolle von allenfalls das ‚natürliche Gleichgewicht‘ bedrohenden Tier- oder Pflanzenpopulationen (wie immer man das dann, aus der Nähe betrachtet, interpretiert) ist überhaupt nichts einzuwenden. Da muss man das Rad nicht neu erfinden, hunderte bestens funktonierende Jagd- und Naturschutzverordnungen weltweit haben bewiesen, dass das klappt. Aber dem Ökofundamentalismus geht es offenbar um etwas Anderes. ‚Schädlich‘ ist stets absolut schädlich; das Ziel ist immer die Tabula rasa eines wieder hergestellten Urzustandes. Wieder hergestellt? Wieder vorgestellt. „Die Welt als Wille und Vorstellung“, um Schopenhauer zu zitieren. Den großen Tierfreund und Menschenfeind.
Übrigens … Auch wenn ihn die Begleiterinnen und Begleiter meiner ‚Selbstgespräche mit Lesern‘ bis zum Abwinken kennen; oder manche Besucher meiner Aufsätze und Bücher (jawohl, es soll dergleichen Personen geben) den Standardsatz schon nicht mehr hören können – hier ist er wieder: „Im übrigen bin ich der Meinung, dass zwischen Schützern und Zerstörern der Natur Krieg herrscht. Ein Krieg, der den Schützern von den Zerstörern aufgezwungen wurde. Und dem sie sich nicht entziehen können.“
Kann der Naturschutz den Krieg gegen Diebstahl und Raub, Ausbeutung, Brandschatzung, Plünderung und Vernichtung, den Kampf gegen die Zerstörung des Lebendigen und Schönen gewinnen? Wohl kaum. Dazu müsste er zuerst die Faktoren Unwissenheit, Gleichgültigkeit, Berechnung und Gier ausschalten, eine Herkulesaufgabe, an der schon Herkules gescheitert ist. Muss er den Krieg dennoch führen? Unbedingt. Nichts ist weniger wahr als die Behauptung, erst müsse die Armut beseitigt, die soziale Frage gelöst sein, Liebe zur Natur und Wertschätzung ihrer Güter folgten dann von selbst. Wo doch, global gesehen, der steigende Wohlstand die Nachfrage nach den Gütern und Schätzen der Natur erst richtig anheizt und angeheizt hat – je seltener diese Güter und Schätze sind, desto mehr.
Strategie und Taktik. Deshalb bin ich der Meinung, dass sich der Naturfreund, die Naturfreundin pragmatisch fragen müssen, wo denn, wenn schon Krieg geführt werden muss, die Chancen auf temporären Erfolg – ich spreche nicht von ‚Sieg‘ – am größten sind. Strategisch gesehen, sind die eigentlichen Kriegsherren, die Auftraggeber und Profiteure der Plünderung von Naturschätzen, Vernichtung von Wäldern, Zerstörung von Pflanzen, Massaker an Tieren … nicht zu besiegen. Sie verbergen sich gut getarnt hinter Firmenkonstrukten, Netzwerken und Institutionen und entziehen sich dem direkten Zugriff. Möglicherweise führen sie den Naturschutz im Munde und machen exakt jene Gesetze, die sie dann ungeniert brechen. Es geht schließlich um Investitionen in ein Milliardengeschäft – und Öffentlichkeitsarbeit ist ein unverzichtbarer Teil der Geschäftspraktiken.
Um den Turm zu erobern, musst du die Bauern schlagen. Naturschutz-Strategie muss auf dem Schlachtfeld ansetzen und dort ihre Taktik der gezielten Nadelstiche entfalten. Wer sind die Schwächsten (aber gerade deshalb auch Brutalsten) im globalen Spiel der Naturzerstörung? Die kleinen Handlanger, die eigentlichen Beschaffer der begehrten Ware. Wer fällt und verbrennt die Tropenbäume? Wer killt das begehrte Wild, um an die kostbare Trophäe zu gelangen – das sprichwörtliche ‚weiße Gold‘ der Elefanten oder den prestigeträchtigen Kopfschmuck des Nashorns? Wer sind die bewaffneten Wilderer, wer die gewieften Schmuggler, die Hehler, die Transporteure, Zwischenlagerer und Zwischenhändler? Diese Fragen gilt es zu stellen und richtig – taktisch richtig – zu beantworten. Der Turm wankt, wenn man seine Fundamente untergräbt. Wenn er ordentlich, das heißt systematisch unterminiert wurde, fällt er in sich zusammen.
Zerstören oder korrumpieren? Die Frage der Manpower. Den klassischen Wilddieb, den romantischen Freischütz und alpinen Volkshelden hat es vielleicht so nie gegeben. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass es sich dabei um einen erfolgreichen – relativ, von einer prekären sozialen Nulllinie aus gemessen erfolgreichen –, mehr oder weniger skrupellosen Entrepreneur im Fleischbeschaffungsprozess, im Schmuggler-Business und Handel mit verbotener Ware (samt entsprechendem Risikoaufschlag) gehandelt hat. Literarisch-folkloristische Verklärung hin oder her – der Fall des alpinen Wilddiebs ist insofern lehrreich, als der Kampf gegen ihn ebenso typisch wie erfolgreich verlief.
Natürlich waren es keine ‚Naturschützer‘ im heutigen Sinn, keine WWF- oder Greenpeace-Leute, sondern Gendarmen, Wildhüter und Revierförster, die sich der volkstümlichen, also populären Jagd widersetzt haben. Fast schon genial daran war die dahinter stehende Logik: indem sie die Wilderei vom Standpunkt einer ‚ordentlichen‘ Behandlung der Natur aus betrachteten, konnten sie sie als illegale Plünderung der Natur definieren, und so haben diese Förster und Wildhüter das eigentliche Tun des Wildschützen als das entlarvt, was es in ökologisch-ökonomischer Hinsicht ist – kein Heroismus, sondern … siehe oben.
Daraus können Lehren gezogen werden für einen möglicherweise erfolgreichen Umgang mit der Manpower des internationalen Natur-Plünderungs-und-Verwertungs-Geschäfts. Also für eine möglichst effiziente Unterminierung der Basis besagten ‚Geschäfts‘. Zweierlei Maßnahmen führten in den mitteleuropäischen Revieren zur Zurückdrängung der Wilderei (die auf ihrem Höhepunkt, weit davon entfernt, das zu sein, was Literatur und Folklore später aus ihr machten, eine soziale, politische, schlussendlich auch kriminalistische Angelegenheit war, aus denen alle Beteiligten nur mit enormen – and in the end beziehungsweise in Wahrheit überflüssigen – Verlusten an Gütern und Leben herauskamen). Zweierlei Maßnahmen. Einerseits ‚erledigte‘ man das Problem durch die physische Eliminierung der unbelehrbarsten Elemente desselben, also der Wildschützen, also mit Waffengewalt. Andererseits ‚korrumpierte‘ man das System der Wilderei, indem man den fähigsten Wilddieben zu verlockenden ökonomischen Bedingungen den Übertritt ins legale Lager ermöglichte. Und in der Tat waren die tüchtigsten Gendarmen, die effizientesten Revierförster … ehemalige Freischützen.
Die Basis ‚umdrehen‘. Den Rückhalt haben Wilderer, Schmuggler von Naturschätzen, illegale Beschaffer von Tropenholz, Bushmeat, Elfenbein und Nashorn heute wie damals in der Solidarität lokaler Gemeinschaften, die objektiv oder subjektiv so ‚arm‘ sind, dass jede Aussicht auf einen noch so geringen Gewinn – auf einen Basislohn sozusagen – selbst größere Risken als annehmbar erscheinen lässt. Hier kann man einerseits direkt vorgehen, indem man das Risiko erhöht – das Beispiel des Revierförsters, der dem Wilddieb mit geladener Waffe begegnet.
Man kann aber auch das Armutsgefälle als solches verringern – einerseits in der lokalen Gemeinschaft selbst, wodurch die Solidarität mit dem illegal vorgehenden Gemeindemitglied (von dessen steigendem individuellen Wohlstand die Gemeinschaft in der Regel kaum bis gar nicht profitiert) geringer wird. Andererseits genügt es wahrscheinlich, den Wilderern ein finanzielles Angebot zu machen, das den vom bisherigen Auftraggeber gezahlten Sold um einiges übersteigt – schon hat man einen fähigen Ranger und Naturschutzagenten mehr, notabene wenn dieser auch noch gut mit Waffen umzugehen versteht. Wie man hört, gibt es bereits ermutigende Beispiele solcher zum Naturschutz-Paulus Bekehrter. Was einer Wagner-Truppe im Bösen gelingt – immer wieder neue Rekruten an Land zu ziehen, die für einen Sold, der so hoch nun auch wieder nicht ist, plündernd und mordend ihre Haut zu Markte tragen –, sollte doch auch im Guten möglich sein. Mutatis mutandis, versteht sich: Morde und Vergewaltigungen im Naturreservat machen sich schließlich eher nicht so gut.
(Im dritten und letzten Teil soll versucht werden, am Leitfaden der Ökologiegeschichte des Waldes Sinn und Unsinn der Fundamentalökologie zu erörtern)
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* Smetacek/Liedl 2017 = Melanie Smetacek / Gottfried Liedl: Born to be urban – Europas Paradiesvögel. In: Gottfried Liedl / Manfred Rosenberger (Hg.): Ökologiegeschichte. Band 2: Zeiten und Räume (Halbband 2.2: Naturdinge, Kulturtechniken). Turia und Kant: Wien – Berlin 2017, 140–181
** Links zu Mönchssittich, Halsbandsittich und zur Neozoen-Frage:
Link 1; Link 2; Link 3; Link 4; Link 5; Link 6; Link 7; Link 8 (Mönchssittich); Link 9 (Halsbandsittich); Link 10 (neue Spezies); Link 11 (exotische Vögel); Link 12 (Papageien in Málaga)
*** Zur Ausrottung des spanischen Vorkommens von Ammotragus lervia: Revista Jara y Sedal (6. Juli 2022)
Bitterer 'Gag' samt unfreiwilliger Komik gefällig? Die für die Ausrottung zuständige Organisation selbsternannter 'Hüter der natürlichen Ordnung' nennt ihr Projekt Plan de Ordenación de los Recursos Naturales del Parque – abgekürzt PORN. Na also.