Der erste Teil meines Blogs zum Vortrag vom 11. 11. schloss mit der einigermaßen gewagten Behauptung, dass die ökologisch-agrarökonomische Geographie der Barocken Gartenstadt unübersehbare Spuren an der 1,9-Millionen-Metropole hinterlassen habe. Und dass „der Wiener in seiner Mentalität ein ‚ländlicher‘ Typus geblieben“ sei. Um dieser Aussage historisch auf den Zahn zu fühlen, machen wir einen Sprung – zwar noch nicht gleich in die Gegenwart, aber doch an die Anfänge dessen, was man das moderne Wien nennen mag.  

Denn eigentlich (was gern übersehen wird) war Wien bis in die Zeit des Vormärz (etwa 1818 – 1848) die ‚urtümliche‘, naturnahe STADTLANDSCHAFT zwischen großen Wäldern, zahlreichen über Terrassen herabfließenden Bächen und der ungezähmten, vielarmigen Donau geblieben.

In dieser Entwicklung gibt es einen Bruch – die INDUSTRIALISIERUNG. Die hatte zwar bereits im Vormärz erste Lebenszeichen von sich gegeben, entfesselt wurde sie jedoch erst nach der Jahrhundertmitte, nach der – politisch gestoppten, ökonomisch erfolgreichen – bürgerlichen Revolution. So bildet die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als sogenannte GRÜNDERZEIT auch einen ersten (freche Frage: vielleicht den einzigen?) Einschnitt in das viel besungene Phäakentum der Wienerinnen und Wiener, wie es zuletzt als sogenanntes Biedermeier in Blüte stand.

Bevölkerungswachstum und Industrialisierung. Charakteristikum und Begleiterscheinung dieser Zeit ist das enorme Bevölkerungswachstum im Wiener Großraum, vor allem in den sogenannten Vorstädten und Vororten, die dann auch nach Schleifung der Stadtmauern mit dem alten Stadtkern vereinigt wurden (Eingemeindungen der Vorstädte, später auch der Vororte). Deutlich befeuert wurde diese Entwicklung von der Industrialisierung der Gebiete SÜDLICH der Vorstädte; später siedelten sich auch im Gebiet NÖRDLICH bzw. NORDÖSTLICH der nun begradigten Donau (zum Beispiel in Floridsdorf) Industriebetriebe an – mit all den bedenklichen sozialen Begleiterscheinungen, die damit einherzugehen pflegen.

Wien nach der Donauregulierung (1870|75)

Die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts ist eine Epoche der Krisen, aber auch eine Epoche der Reformen: Die regelmäßig auftretenden Hochwasser-Ereignisse mit verheerenden Folgen besonders für die Gebiete und Dörfer nördlich des Wiener Donauarms (heutige Bezirke Leopoldstadt, Brigittenau) beziehungsweise nördlich der Hauptarme der Donau (Floridsdorf, Donaustadt) führten seit dem 18. Jahrhundert zu verschiedenen mehr oder weniger effizienten Regulierungsversuchen, die mit der großen Donauregulierung von 1870|75 einen vorläufigen Schlusspunkt fanden (Begradigung des Strombetts; Errichtung des ‚Überschwemmungsgebiets‘; Wiener Donaukanal). Die ebenfalls problematischen Wienerwaldbäche inklusive Wienfluss wurden verbaut, das heißt  kanalisiert und großteils in den Stadtuntergrund verlegt.

Immer wieder aufflackernde Seuchen und die katastrophale hygienische Situation in den dicht besiedelten und eng verbauten Vorstädten, wo die großen Mietzinskasernen anstelle kleiner Hofhäuser wie die Pilze aus dem Boden schossen, führten zu einer radikalen Neugestaltung der Wasserversorgung. An die Stelle der unhygienischen Hausbrunnen traten die beiden Hochquell-Wasserleitungen (1873, 1910).

Ein wichtiges, auch sozial- und kulturpolitisch bedeutsames Requisit der Wohnkultur wird die sogenannte BASSENA. Zusammen mit dem sogenannten ‚Klo am Gang‘ (also Wasser-Klosett anstelle des im Hof angesiedelten Abort-Häuschens) war das eine echte hygienische und sozialökonomische Verbesserung. Das Wasser ist jetzt nicht nur von exzellenter Qualität, es muss auch nicht mehr mühsam vom Hof oder gar einige Straßen weiter geholt und die Stockwerke hinauf geschleppt werden. Als Anlaufstelle für Klatsch und Tratsch ersetzt die BASSENA auch perfekt den HAUS-, HOF- oder STADTBRUNNEN.

Artenschwund, ökologische Verarmung. So positiv sich die Donauregulierung auf die Wohn- und Lebensverhältnisse der Wiener Stadtbevölkerung ausgewirkt haben mochte, so verheerend waren deren Folgen für die nicht-menschlichen Bewohner der Stadtlandschaft Wien. Am Beispiel der im Wiener Großraum heute und vor 200 Jahren vorkommenden Vogelarten kann man die ökologische Verarmung sehr gut rekonstruieren: Zwischen 1870 und 1920 sind von den ursprünglich rund 120 Arten mindestens 16 ausgestorben, das entspricht einer Rate von 13 Prozent.

Kaiseradler, Schwarzstorch, Rotmilan: drei aus Wien verschwundene Arten

Aus mehreren Gründen – einige sind Gegenstand des Vortrags – hat sich der Artenschwund seit den 50-er und 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts verlangsamt, ja durch Einwanderung von rund einem Dutzend neuer Arten quasi umgedreht. Kanadagans (Branta canadensis), Mandarinente (Aix galericulata), Türkentaube (Streptopelia decaocto) und Co. profitierten vom ‚Grünen Wien‘ des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, dem Wien der Parks und Naturschutzgebiete. Dieses ‚Grüne Wien‘ kann übrigens durchaus als eine zielgerichtete Antwort auf Bevölkerungswachstum, Industrialisierung und soziale Krise verstanden werden – somit auch als eine Art ‚Renaissance‘ der Barocken Gartenstadt. Mit auch für die gefiederten Wienerinnen und Wiener recht ersprießlichen Begleiterscheinungen.  

Wiener Vogelleben heute. Nach einer im Verlag des Naturhistorischen Museums herausgebrachten Studie zeigt die Artenverbreitung im urbanen Großraum – also dort, wo sich die von mir so genannte ‚Stadtlandschaft‘ erstreckt – ein typisches Muster.  Die zersiedelte Mischzone zwischen eng verbauter Innenstadt und bewaldetem Stadtrand (typischer Weise gleichzusetzen mit den ehemaligen Vororten und heutigen Außenbezirken – man könnte auch vom Grünraum zwischen Gemeindebau, Schrebergarten und Villenviertel sprechen) – weist die meisten Arten auf, die Agrarsteppe im Osten die wenigsten, noch weniger sogar als in der eng verbauten Innenstadt zu finden sind.

Wie gesagt – dieses doch recht erfreuliche Bild verdankt sich letzten Endes und plakativ ausgedrückt dem Wiener Phäakentum, jener sich gegen alle Anfechtungen der Moderne durchhaltenden und sich sogar im sozialen Umfeld eines Groß- und Kleinbürgertums, ja proletarischen Industriearbeitertums behauptenden ‚Ländlichkeit‘ des Wiener Charakters. Dazu mehr im nächsten Blog ...

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* Literatur: Gábor Wichmann | Michael Dvorak | Norbert Teufelbauer | Hans-Martin Berg (Hg.): Die Vogelwelt Wiens. Atlas der Brutvögel. Wien: Verlag des Naturhistorischen Museums Wien, 2009

Im ersten Eintrag meiner ‚Selbstgespräche mit Leserinnen und Lesern‘ habe ich versprochen, nicht nur übellaunig zu sein sondern auch „über mehr oder weniger erfreuliche Ausnahmen von der Regel, … dass Homo sapiens egoistisch und egozentrisch, rücksichtslos und dabei auch noch erstaunlich kurzsichtig ist“ (Blog # 1 vom 14. September 2022) zu berichten und Dinge zum Besten zu geben, von denen ich glaube, dass sie tatsächlich zu den besten gehören. So liegt es auf der Hand, nach dem Aufweis von eher nicht so wirklich ‚besten Dingen‘ aus der Werkstatt von Wiens Stadtregierung (= meine ganz persönliche Version der Geschichten aus dem Wienerwald) der Wahrheit – einer ganz anderen Wahrheit – jenseits der Ärgernisse nachzugehen und die von besagter Stadtregierung selbst regelmäßig behauptete Rolle Wiens als Umweltstadt, ja Grüne Stadt zu untersuchen. Das habe ich zuletzt in einem öffentlichen Vortrag probiert.

Vortrag, 11.11.2022

In diesem Vortrag ließ ich für eine angenehme knappe Stunde das Feld der (Zeit-)Kritik links liegen, um die Komfortzone des Historikers aufzusuchen. Bequem zurückgelehnt aus der Ferne zuzusehen, wie sich Verhältnisse und Jahrhunderte die Hand reichen, ist eine Option; Ziel muss dennoch der Erkenntnisgewinn sein, den dieser Blick durchs halb geöffnete Fenster gewährt.

Historiker at ease © Thuan Nguyen-Tien    

Wie man wurde, was man ist. „Ich bin ein Kind der Stadt – die Leute meinen und spotten leichthin über unsereinen, dass solch ein Stadtkind keine Heimat hat. In meine Spiele rauschten freilich keine Wälder. Da schütterten die Pflastersteine, und bist mir doch ein Lied, du liebe Stadt“ (Anton Wildgans, 1881–1932). Ja. Aber. Kann man sich Paris vorstellen ohne die Seine? London ohne Themse? Ohne Hyde Park, Kensington Gardens, Hampstead Heath? Berlin ohne die Spree, den Tiergarten, den Grunewald?

Wien und die Donau … Praterauen und Wienerwald. Terrassen, die sich zur Stadtmitte absenken und östlich der Donau in die Ebene des Marchfelds auslaufen. Keine Stadt ohne Stadtlandschaft. Die Geographie des urbanen Raumes ist die Geographie seiner Hügel, Abhänge, Terrassen, Flusstäler und – ja, auch das – Senken, Sümpfe und stehenden Gewässer. Die gute Luft und ein gesundes Klima verdankt sie günstigen Winden; oder sie wird zum Hotspot der Seuchen, wenn ihre Gewässer in der brütenden Hitze stagnieren.

Über diese ‚Urlandschaft‘ – also die geographischen Voraussetzungen, die sozusagen schon immer gegeben waren und noch heute ihre Wirkung entfalten, stellt der Wiener Sozial- und Wirtschaftshistoriker Peter Eigner in seiner zusammen mit Andreas Weigl herausgegebenen ‚Sozialgeschichte Wiens 1740–2020‘ fest: „Es sind naturräumliche Gegebenheiten, die die Ausgestaltung und Wachstumsrichtung des Wiener Stadtraums wesentlich mitbeeinflussten: die Lage an der Donau bzw. jene am Rande des Wienerwalds, des östlichsten Ausläufers der Nordalpen. Große Teile des heutigen Wiens waren bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine weitgehend von Wasserläufen, Auen und Tümpeln geprägte und daher dünn besiedelte Naturlandschaft.“*

Wie man wurde, was man ist. Gehen wir also ein paar Jahrhunderte zurück, sagen wir in die Zeit um 1700. Das Bild der Stadt, das sich uns bietet, ist, um‘s mal salopp zu sagen, noch ganz schön viel ‚freie Natur‘ und ganz schön wenig ‚Stadt‘. Eine Stadt, in der es sich – so das einhellige Stereotyp – gut leben ließ. Die Wiener seien unbekümmerte Phäaken, hieß es im neiderfüllten Ausland. Natürlich gab es in der Sozialgeschichte Wiens Hunger und Elend. Aber es gibt eben jene andere, typische Annahme: dass sich die BAROCKE GARTENSTADT, die Residenzstadt Wien, mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln (samt dem ‚Luxusgut‘ Wein) viel besser selbst versorgen konnte, als viele vergleichbare Städte Mitteleuropas. Diese Annahme – wie wahrscheinlich ist sie ?

Barocke Gartenstadt. Nach einer neueren Berechnung (Tim Soens)* benötigte Wien im 18. Jahrhundert ein agrarisches Einzugsgebiet von rund 450 km2, das ist ziemlich genau die Fläche des heutigen Bundeslandes Wien. Und dieses agrarische Umland war tatsächlich vorhanden.

Wien um 1750 mit der eigentlichen Stadt, den Vorstädten und Vororten

Wien hatte um 1750 zusammen mit den Vorstädten und Vororten 191.200 Einwohner und Einwohnerinnen. Diese bezogen ihren Lebensunterhalt und ihre Lebensqualität im wesentlichen aus drei Quellen:

Dazu kam der Weinbau im Westen, an den Hängen des Wienerwaldes. Das Handwerk und die Verarbeitungszentren agrarischer Produkte, vor allem die Getreidemühlen konzentrierten sich dort, wo der Ackerbau an die Stadtlandschaft stieß, also im Süden (daran erinnert der noch heute existierende Getreidemarkt nahe dem Wienfluss) und nordöstlich der Stadt (der Ortsteil Kaisermühlen erinnert an die großen Schiffsmühlen auf der Donau). Die wichtigsten Märkte für Agrargüter lagen im Süden, diejenigen für Salz und Flussfische im Norden, nämlich am Wiener Arm der Donau (heute: Donaukanal). Alle Grundnahrungsmittel konnten aus einem Umkreis von etwa einer Tagesreise herangeschafft werden.

In meinem Vortrag stellte ich daher eine möglicher Weise ziemlich kühn anmutende Behauptung auf. „Die ökologisch-agrarökonomische Geographie der Barocken Gartenstadt Wien liegt noch der heutigen ‚Grünverteilung‘ in der Millionenstadt Wien zugrunde.“ Und übermütig geworden, legte ich noch eins drauf: „Der Wiener ist in seiner Mentalität ein ‚ländlicher‘ Typus geblieben.“ Der Wahrheitsbeweis (wenn er denn möglich ist) wird hier demnächst angetreten … Fortsetzung folgt.     

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* Literatur:

Andreas Weigl | Peter Eigner (Hg.): Sozialgeschichte Wiens 1740–2020. Transformationen des Raums, Inklusion und Exklusion, Außenansichten und Mobilität. Studien Verlag: Innsbruck – Wien 2022;

Tim Soens: Urban Agriculture and Urban Food Provisioning in Pre-1850 Europe: Towards a Research Agenda. In: Erich Landsteiner | Tim Soens (Hg.): Farming the City. The Resilience and Decline of Urban Agriculture in European History. Studien Verlag: Innsbruck – Wien 2020 (Seite 13–28)

Im letzten Eintrag machte ich die Naturfreundin, den Naturfreund mit der traurigen Tatsache bekannt, dass der schöne Lainzer Tiergarten hinter dem Rücken seiner Eigentümer, der Wienerinnen und Wiener (aber offenbar mit Wissen und Billigung der Stadtverwaltung) erheblich beschädigt wurde. Was seine Schutzwürdigkeit als kulturell und naturkundlich wertvolle Landschaft betrifft – ein historisches Jagdrevier mit artenreichem Wildbestand –, gibt es keinen Zweifel. Sollte man meinen. Immerhin handelt es sich beim Lainzer Tiergarten um ein Natura 2000-Naturschutzgebiet; und um ein Europaschutzgebiet.

In diesem zweiten Teil meiner Eloge auf die bedrohte Fauna des „Tiergartens der Wiener“ (Gergely / Prossinagg: Vom Saugarten des Kaisers zum Tiergarten der Wiener) erlaube ich mir die naive Frage (wie es sich geziemt im Wiener Dialekt): „Ja derfen (dürfen) s‘ denn des?“ Gesetze sind gemacht, auf dass man sie befolge. So weit, so einfach …  

Wiener Naturschutzgesetz.* Unter der Überschrift Allgemeine Bestimmungen klärt § 1 des Wiener Naturschutzgesetzes darüber auf, dass „dieses Gesetz dem Schutz und der Pflege der Natur in all ihren Erscheinungsformen im gesamten Gebiet der Bundeshauptstadt Wien“ dient. Wenn wir uns nicht täuschen, sind also auch Rothirsche, Damhirsche und Mufflons damit gemeint.

Anders gesagt: Die Erzdiözese Wien könnte den Stephansdom nicht einfach abreißen lassen (zum Beispiel aus Kostengründen). Stephansdom, Schloss Schönbrunn und Lainzer Tiergarten sind Teil unseres Kulturerbes, Tiere und Pflanzen Teil unseres Naturerbes – sonst bräuchte es das ganze Wiener Naturschutzgesetz nicht. Ja irgendwie „gehören“ alle Rot- und Damhirsche, Mufflons und Wildschweine des Lainzer Tiergartens den Wienerinnen und Wienern auch im zivilrechtlichen Sinn (beziehungsweise den Bürgerinnen und Bürgern der Republik Österreich als Rechtsnachfolgern der Habsburger). Und wenn schon nicht das, so wenigstens als Symbolisches Kapital.

Ermessenssache Naturschutz? Wenn auch ‚nur‘ symbolisch, so ist das Naturerbe ein uns, den Bürgerinnen und Bürgern gehörendes Kapital. Dessen Nutzung hat nachhaltig zu sein – oder wie es im  § 4. Absatz 1 heißt:  Die Natur darf nur insoweit in Anspruch genommen werden, als „ihr Wert auch für nachfolgende Generationen erhalten bleibt“. Der Gesetzgeber lässt auch keinen Zweifel offen, wo die Grenzen besagter Inanspruchnahme liegen. Er untersagt alle Eingriffe, „die dem Schutzzweck zuwiderlaufen“ (§ 7. Absatz 4).

Ausnahmen … Hurra, ein Schlupfloch? Nicht wirklich. Die Naturschutzbehörde kann Ausnahmen nur dann bewilligen, „wenn die geplante Maßnahme keine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes darstellt oder das öffentliche Interesse … bedeutend überwiegt.“ Wenn die Ausrottung dreier seit Jahrhunderten im Lainzer Tiergarten ansässiger Wildtierarten nicht eine „wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes“  ist, dann fragt man sich, was mit der Bezeichnung Lainzer Tiergarten gemeint sein soll. „Aber nur so lässt sich ein naturwaldartiger Zustand herstellen.“ Welches Interesse sollte „die Öffentlichkeit“ daran haben, dass aus dem „Tiergarten der Wiener“, einem durchgängig begehbaren Park, wo man als Bonus auch noch interessante Tiere zu Gesicht bekommt, ein weitgehend wildleerer, teilweise abgesperrter Pseudo-Urwald mit Betretungsverbot wird? Siehe Johannser Kogel, wo das schon heute der Fall ist.

Artenschutz im Sinne des Gesetzes. Eingriffe in eine bestehende Population wild lebender Tiere dürfen nach dem Wiener Naturschutzgesetz, das sich dabei auf die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU bezieht, nur dann vorgenommen werden, wenn „es keine andere zufriedenstellende Lösung … gibt“ und „der Erhaltungszustand der betroffenen Art im Gebiet der Bundeshauptstadt Wien trotz Durchführung der … Maßnahme günstig ist“ (§ 11. Absatz 4).

Dass es „keine andere zufriedenstellende Lösung“ für den Schutz des Waldes im Lainzer Tiergarten geben soll als die radikale Eliminierung dreier Wildtierarten, ist mit der Geschichte dieses ehemals kaiserlichen Jagdreviers ausreichend widerlegt, aber auch durch die bisherige Praxis einer über hundert Jahre währenden Verwaltung durch die öffentliche Hand. Was die Forderung des Gesetzgebers betrifft, dass der gute Erhaltungszustand von Arten, die durch einen Eingriff betroffen sind, im Gebiet der Bundeshauptstadt Wien weiter gewährleistet sein muss, erlauben wir uns den Hinweis, dass es außer dem Lainzer Tiergarten nirgendwo in Wien Bestände von Dama dama und Ovis gmelini musimon gab und gibt. Einmal aus dem Park entfernt, sind diese beiden Spezies definitiv – wie sagt der Volksmund?  – futsch.

Und wo in der Vereinbarung zwischen Forst- und Landwirtschaftsbetrieb (MA 49), der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22), der Tierschutzombudsstelle Wien, der Wiener Umweltanwaltschaft und dem Verein gegen Tierfabriken (auf dieser ‚Vereinbarung‘ beruht die Eliminierung der drei Spezies), wurde der „nötige Ausgleich für die Beeinträchtigung“ festgeschrieben? Das fragt man sich mit Blick auf § 11 des Wiener Naturschutzgesetzes, wo ja genau solches gefordert wird. Wenig überraschend die Antwort – nirgends.

Nicht schutzwürdig! „Rothirsch, Damhirsch, Mufflon sind ja nicht gefährdet!“ Ich höre es – und muss lachen (zugegeben, ein wenig bitter). Hat ja das Wiener Naturschutzgesetz ausdrücklich auch „nicht geschützte freilebende Tiere“ in seinen Geltungsbereich übernommen (nachzulesen im Abschnitt Allgemeiner Tier- und Pflanzenschutz, § 13. Absatz 1).

„Aber zumindest sind Damhirsch und Mufflon keine ursprünglichen Arten des Lainzer Tiergartens!“ Ist das so? Wenn im Gesetz als Ziel unter anderem die „Erhaltung der Ursprünglichkeit“ (eines zu schützenden Gebiets) betont wird (§ 23. Absatz 3), so kann sich das logischer Weise nur auf den Zustand zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung beziehen. Im Fall des Lainzer Tiergartens sind somit als ‚ursprünglich‘ alle Arten anzusehen, die vor mehr als 90 Jahren dort heimisch waren. Also inklusive Rotwild, Damwild und Mufflons.

Der Punkt ist, dass im Naturschutz nicht mit zweierlei Maß gemessen werden soll. Naturschutz betrifft alle Kinder der Natur, die großen und spektakulären, die kleinen und unscheinbaren, die seltenen und die häufig vorkommenden. Und das Naturschutzgesetz gilt für sämtliche Naturnutzer. Wenn sich schon Blumenpflückerin und Schwammerlsucher an die Regeln halten müssen, um wieviel mehr ist solche Achtsamkeit vom Forstdirektor einzufordern.   

Abschließend ein kleiner Hinweis für den (unwahrscheinlichen) Fall des Falles: § 37 des Wiener Naturschutzgesetzes regelt auch die– ich zitiere – „Wiederherstellung des früheren Zustandes“ …

P.S. Nichts dazugelernt? „Geschichten aus dem Wienerwald“ betitelt der KURIER in der Ausgabe vom 17. November 2022 seinen Bericht über die geplante Errichtung des Logistik-Zentrums eines Gourmet-Gastro-Lieferanten auf einem der Stadt Wien und der Asfinag gehörenden 47.000 Quadratmeter großen Areal. Zwar soll die Anlage CO2-neutral werden (man hört’s … aber kann man’s auch glauben?) Dass die versiegelte oder weiter zu versiegelnde Fläche an den Lainzer Tiergarten grenzt, hat schon ein wenig Haut goût. Immerhin werden dort voraussichtlich rund 300 Sattelschlepper andocken und sich etwa 1.200 Fahrten mit Klein-LKWs abspielen. Täglich. Dass dazu eine ehemalige Mitarbeiterin der Umweltorganisation Global 2000 (siehe Google-Eintrag ‚Wiener Stadtregierung – Amtsführende Stadträtinnen und Stadträte‘) ihren Sanctus gibt (oder zu geben hat), lässt den Braten auch nicht weniger streng riechen. Auf dieses Gourmet-Gericht kann man jedenfalls gespannt sein.

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* Wiener Naturschutzgesetz

Wer in seine Suchmaschine den Begriff „Lainzer Tiergarten“ eingibt, stößt rasch auf die offizielle Seite der Stadt Wien,** wo allerlei Wissenswertes zur Geographie, Landschaft, Flora und Fauna dieses 2500 Hektar (25 km2) großen Naturschutzgebiets im Westen der Millionenstadt zu finden ist. Freilich fallen auch ein paar Ungereimtheiten auf.

Wenn man – wie der Autor dieser Zeilen dies seit Kindheitstagen tut – das prachtvolle Gebiet regelmäßig aufsucht und durchstreift, ist man den meisten seiner geflügelten oder vierfüßigen Bewohner schon einmal persönlich begegnet. Und man meinte daher jenen Fachbüchern und Beschreibungen Glauben schenken zu dürfen (Gergely / Prossinagg, Wikipedia u.a.),** die jenes Naturjuwel als Gebiet mit reichem Wildbestand – mit Rot- und Damhirschen, Mufflons (Wildschafen), Rehen und Wildschweinen – darstellen. Um dann verblüfft festzustellen, dass auf der aktuellen Homepage der Stadt Wien drei davon, nämlich die Rothirsche, das Damwild und die Mufflons nicht mehr vorkommen. Dabei waren sie doch noch unlängst als typische Bewohner des Lainzer Tiergartens abgebildet und beschrieben und dem p.t. Publikum ans Herz gelegt worden („aber bitte nicht füttern“) – auf dem nett gemachten bunten Folder, den die Parkverwaltung Besuchern und Besucherinnen beim Haupteingang kostenlos aushändigt.

Arbeitsgruppe mit Biss. Es begann mit einer „Arbeitsgruppe Lainzer Tiergarten“ und deren ökologischem Husarenstück namens Wildtiermanagement, dem zufolge die Wildschweinpopulation zu reduzieren und der „Bestand an Rot-, Dam- und Muffelwild aufzulassen“ sei. So steht es in einer Vereinbarung zwischen Forst- und Landwirtschaftsbetrieb (MA 49), der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22), der Tierschutzombudsstelle Wien, der Wiener Umweltanwaltschaft und dem Verein gegen Tierfabriken. Als weitere Experten fungierten zwei Tierärzte im Ruhestand und ein ehemaliger Professor der Veterinärmedizinischen Universität. Welche Qualifikation der Verein gegen Tierfabriken für den Abschuss von Wildtieren und die Eliminierung dreier Huftierarten mitbringt, will sich einem nicht so recht erschließen. Sei’s drum. Der Inhalt besagter „Vereinbarung“ wurde umgesetzt.

Totschlagargumente. Was waren die Argumente für diesen in der Geschichte des Lainzer Tiergartens beispiellosen Eingriff? Und einmalig in ihrer Radikalität sind die Maßnahmen von Magistratsabteilung 49 & Co. auf jeden Fall, wenn man bedenkt, dass Rothirsche seit hunderten von Jahren dort lebten, Damhirsche im 18. Jahrhundert und Mufflons um 1840 in den Tiergarten gelangten. Und dass sie ihren Lebensraum auch nicht nachhaltig schädigten, dafür sorgte schon ihre regelmäßige Bejagung  (Gergely / Prossinagg, Seite 43 ff.).* Im Gegensatz zur traditionellen, seit Jahrhunderten gut funktionierenden Regulierung (durch die Jagd) greift das moderne, sich zeitgemäß, also fundamentalökologisch gerierende ‚Wildtiermanagement‘ zum krassen Mittel der Eliminierung.

Starke Worte. „Der Lebensraum Lainzer Tiergarten ist für Rotwild ungeeignet“. Interessant. Das war Generationen von Förstern offenbar bisher entgangen. So ungeeignet war des Rotwilds Lebensraum, dass man regelmäßig Hirsche mit 600 Pfund (300 kg) Körpergewicht erlegte.* „Dam- und Muffelwild sind keine heimischen Wildarten.“ Man lernt nie aus. Ich dachte immer, Damhirsche lebten seit der Römerzeit, auf jeden Fall seit dem Mittelalter in unseren Breiten. Über Mufflons lese ich – aber die Autoren sind vermutlich Dilettanten – dass diese seit 1566, mit Sicherheit seit 1729, als Prinz Eugen einige Exemplare direkt aus ihrer Urheimat Sardinien importieren ließ, hierzulande vorkommen.* Wie man sich irren kann. Im ORF Interview vom 10.3.2018 rechtfertigt der Forstdirektor Andreas Januskovecz die Ausrottung damit, die betreffenden Tierarten seien „in Lainz nie heimisch gewesen“, deshalb sei dies „nicht ihr ökologisches Ausbreitungsgebiet.“

Das Sprechen über „ökologische Ausbreitungsgebiete“ suggeriert die Vorstellung einer heilen Welt, in der alles so ist, wie die Natur es vorgesehen hat. Abgesehen davon, dass man diesen Glauben an die Vorsehung von irgendwoher zu kennen meint … Wer definiert, was Natur ist, was ursprünglich ist? Ursprünglich wann? Um 1900? Im Spätmittelalter? - - - Am Ende des Mittelalters war der Wienerwald so verwüstet, dass man den Wald mit der Lupe suchen musste.

Die Realität. Bei einem stadtnahen Ausflugsgebiet mit jährlich mehr als 500.000 Besuchern und Besucherinnen – wie sinnvoll kann da die Rede von der ‚ursprünglichen Naturlandschaft‘ sein (einer Landschaft, in der nur Tiere leben, von denen wir glauben, dass sie das auch ohne menschliche Eingriffe zustande bringen)? Eine ‚ursprüngliche Naturlandschaft‘ mit asphaltierten Straßen und ausgebautem Wegenetz? Mit Rasthäusern, Wirtschaftsgebäuden, einem Schloss namens Hermesvilla? Würden wir das Argument einer ökologisch abgestimmten ‚Renaturierung‘ so verwenden wie die Urheber des Wildtiermanagements, wir hätten folgende weitere Schritte zu setzen:

Gedanken zum Abschluss. Als Anfang der 1970-er Jahre im Wiener Sternwartepark zahlreiche Bäume gefällt werden sollten, um an ihrer Stelle Gebäude zu errichten, gab es einen öffentlichen Aufschrei samt Volksabstimmung. Am Ende kostete das den Bürgermeister sein Amt, und der Gemeinderat erließ ein strenges Baumschutzgesetz. Bäume sind sichtbar, sie ragen in den Himmel. Wenn hingegen scheue Tiere des Waldes verschwinden, fällt das kaum auf. Trotzdem sind sie am Ende verschwunden.

Im kommenden zweiten Teil meiner Geschichten aus dem Wienerwald wird es um Naturschutz als dehnbaren Begriff gehen. Und um das Wiener Naturschutzgesetz.

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* Literatur: Thomas und Gabriele Gergely / Hermann Prossinagg: Vom Saugarten des Kaisers zum Tiergarten der Wiener. Die Geschichte des Lainzer Tiergartens – entdeckt in einem vergessenen Archiv. Böhlau Verlag: Wien – Köln – Weimar 1993

** Links: Tiergarten 1; Tiergarten 2

Fortsetzung von BLOG # 2 vom 11. Oktober 2022: „Eine Reise in den Sudan“

„Sand, Sand und nochmals Sand …“ Wir sitzen mit fünf Wildhütern, doppelt so vielen Gewehren, Munitionskisten, Lebensmittelsäcken, Benzin- und Wasserkanistern hoch oben auf dem gefährlich überladenen Unimog, der sich durch den lockeren Boden wühlt. Es geht zur äthiopischen Grenze, in den Dinder Nationalpark, wo die Männer ihren Dienst antreten sollen. Meine Begleiterin macht ihnen schöne Augen, und so hat uns die Crew ein luftiges Plätzchen auf dem schwankenden Gefährt angeboten. Dafür wird mir dann gleich eines der deutschen Mauser-Gewehre (aus alten Wehrmachtsbeständen?) in die Hand gedrückt, wenn wieder mal alle absitzen, um den im Sand feststeckenden Unimog frei zu kriegen. Je weiter es in die Berge geht, desto dichter wird die Vegetation – allein, Brehm’sche Ausmaße erreicht sie nicht.

Urwald am Weißen Nil zu Brehms Zeiten (Brehm: Reisen, Seite 220)

„Die im Osten des Landes gelegenen Forste sind in erster Linie Brennholz- und Bau-Derbstangen-Lieferanten für die dichtbesiedelten waldlosen Gebiete des mittleren und nördlichen Sudans; die wichtigsten Einschlagsgebiete sind die Wälder am Dinder, Rahad und Blauen Nil“, wie mein Reiseführer trocken bemerkt.* Das sah man diesen ‚Wäldern‘ schon damals an. Heute, fünfzig Jahre später, sind sie praktisch verschwunden. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang nicht ganz dumm, einen Blick auf die Demographie des Landes zu werfen.

Zwischen dieser Entwicklung lagen vier Militärputsche (1985, 1989, 2019, 2021), ein Bürgerkrieg (2003–2008) und der Unabhängigkeitskrieg des Südsudan (1983–2005).

Die 1970-er: Modern Times und Familienleben im Sudan ( © M. Tomaschek)

Der Dinder Nationalpark war damals für seinen erstaunlichen Wildreichtum bekannt. Den Löwen, der die ganze Nacht in nächster Nähe unserer Hütte gebrüllt hatte, erblickten wir zwar nur flüchtig, bevor er mit seiner Löwin im hohen Gras verschwand, dafür sahen wir jede Menge Riedböcke (Redunca redunca), des Löwen Lieblingsbeute. Von den guten Beständen an Pferdeantilopen (Hippotragus equinus) war uns berichtet worden, wir konnten auch ein paar der stattlichen Tiere bewundern, selbst die eine oder andere Tora-Kuhantilope (Alcelaphus buselaphus tora) kreuzte unseren Weg. Eine amerikanische Biologin hatte, als wir im Park eintrafen, eben ihre Verhaltensstudie an dieser fabelhaften Wildart abgeschlossen.

Heute steht Alcelaphus buselaphus tora als ‚critically endangered‘ auf der Roten Liste; im Sudan ist sie ausgerottet. Ebenfalls verschwunden ist die Nubien-Giraffe (Giraffa camelopardalis camelopardalis), die Nominatform der Art, von der wir 1978 einen kleinen Trupp in weiter Ferne beobachten konnten. Die Tiere waren sehr scheu – und das wohl aus gutem Grund. Ausgerottet sind auch die interessanten Soemmerringgazellen (Nanger [Gazella] soemmerringii), die sich schon auf altägyptischen Reliefs abgebildet finden und in den 1970-ern zwischen Dinder und Atbara in Herden von einigen tausend Stück vorkamen.

Den heutigen Zustand des Dinder Parks findet man im Netz so beschrieben: „Giraffen und Elefanten sind durch Wilderei und mangelnde Habitate ausgestorben … Die Löwen im Park sind scheu und daher schwierig zu beobachten. In einer Studie des Jahres 2019 wurden … etwa 30 – 80 Löwen im Kerngebiet des Nationalparks ermittelt … Der Druck, der von der Bevölkerung der Umgebung des Parks ausgeht, ist groß … und der Park bietet einen relativ einfachen Weg, um das Einkommen aufzubessern.“**

Geben wir der Wahrheit die Ehre: Aus dem benachbarten Äthiopien kommen neuerdings wieder Elefanten in den Park. Immerhin ein halbwegs versöhnlicher Abschluss für einen historischen Reise- und Rechenschaftsbericht … Wer jetzt die Augenbrauen hochzieht, dem sei die Lektüre meines nächsten ‚Selbstgesprächs mit Lesern‘ empfohlen. Darin wird es um das Verschwindenlassen dreier prächtiger Tierarten aus einem mitteleuropäischen Naturschutzgebiet gehen. Details folgen!

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* Literatur: Klett Handbuch für Reise und Wirtschaft: Afrika II. Nord- und Ostafrika. Ernst Klett Verlag: Stuttgart 1973 (2. Auflage); Alfred Edmund Brehm: Reisen im Sudan 1847 bis 1852. Herausgegeben, bearbeitet und eingeleitet von Helmut Arndt. Tübingen – Basel 1975

** Links: Dinder-Nationalpark 1; Dinder-Nationalpark 2; Sudan

Schon gelesen? BLOG # 1 vom 14. September 2022: „Warum dieser Blog?“

Im Winter des Jahres 1978 brachen wir zu unserer ersten Reise nach Afrika auf. Es ist das Privileg der Jugend – und war auf jeden Fall damals, in den roaring seventies, auch unseres– die Welt so anzuschauen, als ob sie (a) verbesserungswürdig wäre und (b) auch verbessert werden könne. Damals, in den 70-ern, sah es manchmal tatsächlich so aus, als dürfe man meinen, dass am Ende des Regenbogens ein Haufen Gold läge.

Reisegefährten © Gottfried Liedl

Die Welt der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts war in der Tat höchst verbesserungswürdig. Bezüglich Politik, Ökonomie, Kultur und Umwelt war jene Epoche keine propere Seniorenresidenz der Moderne sondern die chaotische, unaufgeräumte Kinderstube des sich nähernden postmodernen 21. Jahrhunderts.

Weltpolitik. Richard Nixon war eben zum Präsidenten der USA gewählt worden (1972). Großbritannien, Irland und Dänemark traten der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), der Vorläuferorganisation der EU bei (1.1.1973). Und dann zwingt die Watergate-Affäre Nixon zum Rücktritt (1974). Ende des Vietnamkriegs, Beginn des Libanesischen Bürgerkriegs (1975). ‚Heißer Herbst‘ in Deutschland – Anschläge der RAF, der ‚Roten Armee Fraktion‘ (1977). Israelisch-ägyptischer Friedensvertrag, Islamische Revolution im Iran (1978). Mit dem NATO-Doppelbeschluss erreicht der Kalte Krieg zwischen dem ‚Westen‘ und der Sowjetunion (‚Ostblock‘) seinen Höhepunkt. Richard Nixon vs. Breschniew vs. Mao Zedong; Augusto Pinochet vs. Salvador Allende; Jassir Arafat vs. Golda Meir; Bruno Kreisky; Willy Brandt; Erich Honecker; Olof Palme; Helmut Schmidt vs. Ulrike Meinhof; Indira Gandhi; Saddam Hussein; Khomeini; Gaddafi. Und die anderen längst Verblichenen und Toten.

Ökonomie. Erster Ölpreisschock, Ölkrise (Herbst 1973). Nairobi-Rede McNamaras, des Präsidenten der Weltbank („Wachstum plus soziale Gerechtigkeit“, 1973). Nobelpreis an Friedrich August von Hayek (Neoliberalismus, 1974). Erster G 7-Gipfel (1976). Liberalisierung der Geldpolitik; Deregulierung von Produktion und Handel; Kapitalflucht aus den Ländern der sogenannten ‚Dritten Welt‘ (ab 1978, Höhepunkt 1988). Beginn der Schuldenkrise, massive Privatisierungen des öffentlichen Sektors (Infrastruktur wie Wasserversorgung und Gesundheitsfürsorge; Versicherungs- und Rentenwesen; die Lebensmittelproduktion); Privatisierung öffentlichen Grund und Bodens. Konzentrationsprozesse zugunsten internationaler Konzerne (ab den späten 1970-ern). Die zweite Ölkrise (1979/80). 

Kultur und Zeitgeist. Die 1970-er Jahre sahen die Hochphase der westeuropäischen Sozialdemokratie; das Ende der Hippie-Bewegung; den Aufstieg neuer sozialer Strömungen wie Studenten-, Friedens-, Anti-Atomkraftbewegung; das Ende der Chinesischen Kulturrevolution (Tod Mao Zedongs 1976). Apple und Microsoft werden gegründet. Der polnische Kardinal Karol Wojtyla wird als Johannes Paul II. Papst (1978). Punk und der Schulmädchen-Report. Feminismus und die Zeitschrift ‚Emma‘. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Rasterfahndung und Peep Shows. Plateauschuhe, Glockenhosen, Hot Pants. Apocalypse Now; Taxi Driver; Clockwork Orange; Star Wars. Der Weiße Hai. Rocky Horror Picture Show. ABBA, Queen, Led Zeppelin, Pink Floyd. The Rolling Stones. Elton John. Fleetwood Mac, Blondie, David Bowie, Bee Gees. Deep Purple und Kiss.     

Ökologie. 1970 war als das Europäische Naturschutzjahr ausgerufen worden. 1970 war auch das Jahr, in dem der Begriff ‚Umweltschutz‘ erstmals größere mediale Verbreitung fand. Und das Gründungsjahr der Umweltorganisation Greenpeace (Vancouver, Canada). Dem Umweltschutz entsprach die häufige Verwendung des Wortes ‚Umweltverschmutzung‘. Auch Recycling kam als Begriff damals auf. Und Hausmüll wurde zu 100 % deponiert. ‚Mülltrennung‘ war zwar noch ein Fremdwort, aber immerhin sprach und las man darüber. Am Beginn des Jahrzehnts stand das Europäische Naturschutzjahr, an seinem Ende die Gründung der Partei der Grünen in Deutschland.

Man spricht von der „Zäsur der 70-er Jahre“ (Christian Stielow). Mit dem Sauren Regen kam der Mentalitätswandel – das Ende des Glaubens an den Fortschritt, der Beginn der Bürgerinitiativen. Der Naturforscher Konrad Lorenz wurde Nobelpreisträger (1973) und in Österreich zum Helden der Umweltbewegung (‚Konrad-Lorenz-Volksbegehren‘ zur Rettung der Donauauen). 1970 lebten die letzten 11 Exemplare der Spezies Oryx leucoryx – der Arabischen Oryxantilope – in den USA: als sogenannte ‚Weltherde‘ wurden die neun Tiere des Phoenix Zoo und die drei des Los Angeles Zoo zu Vorfahren sämtlicher heute lebender Vertreter ihrer Art (derzeit rund 8000 Tiere, davon 1000 in freier Wildbahn).

1972 gab der Club of Rome seinen auf Computersimulationen beruhenden Bericht zum Zustand der Erde heraus: „The Limits to Growth“ (Die Grenzen des Wachstums), gefolgt von der ersten Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm (Juni 1972). Ein Paradigmenwechsel im traditionellen Naturschutz – „Global denken – lokal handeln“ – ersetzt den romantischen Heimatbegriff mit seinen tief im 19. Jahrhundert verwurzelten nationalistischen Prämissen.

Dennoch bleiben Natur- und Umweltschutz ideologische Phänomene, freilich solche mit handfesten pragmatischen Voraussetzungen, die sich wissenschaftlich begründen und beschreiben lassen: Saurer Regen und Waldsterben werden technologisch und politisch ‚beantwortet‘; technologisch durch neue Verfahren zur Vermeidung der Schwefeldioxyd-Emission, politisch durch entsprechende Vorgaben. Die Saat der 70-er Jahre geht in den folgenden zwei Jahrzehnten auf: Zwischen 1980 und 2000 verringert sich der Schadstoff-Ausstoß um 75% – 85%. Wenn Joachim Radkau „die Ära der Ökologie“ um 1970 beginnen lässt, dann meint er genau diese politisch-technologische Verschränkung.*

Die 1970-er Jahre öffnen dem Publikum die Augen für bestimmte globale Zusammenhänge, wie sie zwischen ‚Fortschritt‘, ‚Entwicklung‘, ‚Konsum‘, sprich zwischen Ausbeutung und Zerstörung herrschen – und zwar am Beispiel des Waldes. Um 1970 beginnt in der Historiographie ein neuer Abschnitt – die Chronik der Regenwaldzerstörung schreibt sich in Tateinheit mit Politischer Geschichte, Wirtschafts- und Naturgeschichte:

Als wir damals, 1978, in Kairo mit Polizisten Haschisch rauchten und im Sudan mit Wildhütern aus gemeinsamer Schüssel Reis aßen, regierte in Ägypten Anwar as-Sadat (1981 von Islamisten erschossen) und im Sudan Dschafar an-Numeiri (1985 von Militärs abgesetzt). Spaß beiseite. Ein Hauptmotiv unseres Projekts „Auf den Spuren von Alfred Brehm“ war die Untersuchung der ökologischen Langzeitfolgen wirtschaftlicher Erschließung seit der Eroberung des Landes durch Ägypten unter Mehmed Ali (regierte 1805–1848) bzw. seit der britischen Kolonialherrschaft (Anglo-Ägyptischer Sudan).

Ob ‚Gezira Scheme‘, ‚Managil Extension‘, ‚Central Electricity and Water Administration‘ oder ‚Rahad Project‘ – die großen Landerschließungs- und Bewässerungsaktivtäten der 70-er Jahre (der Klimawandel war damals kein Thema) führten nicht nur zur Ausbreitung der Sahara sonden konnten nicht einmal im Steppen- und Savannengürtel, etwa in der Gezira zwischen Weißem und Blauem Nil, verhindern, dass, wie es in einem Reiseführer von 1973 heißt, „ein großer Teil … Staubwüste ist“ (Klett Handbuch, Seite 214).*

Zwischen den Städten Khartum und Sennar rückte diese ‚Staubwüste‘ in rund 130 Jahren um gut 200 km vor. Wo Alfred Brehm an den Ufern des Nil die Landschaft „mit Mimosenwaldungen bedeckt [sah], welche schon hier zuweilen den Charakter der tropischen Urwälder Nordostafrikas einnahmen“ (Reise im Sudan, Seite 189)*, musste 1978 der auf seinen Spuren Wandelnde im Tagebuch den traurigen Satz notieren: „Links und rechts von uns nichts als kahle, staubtrockene Ebene. Sand, Sand und nochmals Sand.“

(Wird fortgesetzt)

_____

* Literatur: Joachim Radkau: Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte. München 2011; Klett Handbuch für Reise und Wirtschaft: Afrika II. Nord- und Ostafrika. Ernst Klett Verlag: Stuttgart 1973 (2. Auflage); Alfred Edmund Brehm: Reisen im Sudan 1847 bis 1852. Herausgegeben, bearbeitet und eingeleitet von Helmut Arndt. Tübingen – Basel 1975

** Links: Regenwald; Faszination Regenwald

Ökologiegeschichte Online. Die Herausgeberinnen und Herausgeber dieser neuen Reihe – Historiker*innen, aber auch Kolleg*innen aus den geisters- und naturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen – haben es sich zum Ziel gesetzt, in zwangloser Abfolge  mehrmals jährlich Beiträge aus dem Bereich der Ökohistorie erscheinen zu lassen. In Sammelbänden oder Monographien werden Themen aus dem weiten Feld der Beziehungsgeschichte von Mensch und Natur, Stadt und Land, Tier-, Pflanzen-, Landschaftsschutz, Gemein- oder Privateigentum zur Sprache kommen; wird die Geschichte der Landschaft, des Waldes, der Grüngürtel, Schutzgebiete und Parks erzählt: von A wie Agrargeschichte bis Z wie Zonaler Umweltschutz.

Band 1 dieser Reihe ist soeben erschienen.

Gottfried Liedl: Der Mensch ist ein Beutegreifer. Unzeitgemäßes zur Ökologie.

Aus dem Inhalt:

I. NATURSCHUTZ – EINE KURZE GESCHICHTE? EINE LANGE GESCHICHTE? California dreaming. Die Anfänge der Grünbewegung. – Die 70-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Und eine Reise in den Sudan. –

II. DIE GROSSE ZERSTÖRUNG – ODER VOM NUTZEN DER NATUR. Arten sterben. – Welt-Allmenden. – Zivilgesellschaft und ‚westliche‘ Errungenschaften. – LANDWIRTSCHAFT. – Eine andere Geschichte der Landwirtschaft. – Agrargenies des Mittelalters. – EXPANSION, EUROPÄISIERUNG DER WELT. – Botanische Weltenbummler: Pflanzen & Weltsysteme. – Das Drama der Entwaldung. – Neue Fülle in Europas Wäldern. – Lob der Bäume. – Forstwirtschaftliches Intermezzo:   Brasilianisches Fallbeispiel & Terra Preta. –   

III. ÖKOLOGIE ALS WISSENSCHAFT UND IDEOLOGIE. – Ein spanischer Alfred Brehm – Félix Rodríguez de la Fuente. – Kulturgut Böser Wolf – oder Sind Förster die besseren Bauern? – Wir wollen sie nicht …! Umweltpolitische Retrospektiven – oder Das Böse in der Natur. – Wie schädlich ist ‚schädlich‘? Noch einmal Noxious Wildlife. – Ist der Naturschutz vielleicht schon tot – und weiß es nur noch nicht?

Ökologiegeschichte ONLINE_Band 1Herunterladen

Schon wieder ein neuer Blog?

Wenn in Zeiten wie diesen, mit Kriegen, Krisen und schwindendem Wohlstand, die Menschen ängstlich und gestresst sind – sollen wir ihnen da auch noch mit der bedrohten Natur kommen? Kann sich jemand, der nicht weiß, wie er die nächste Stromrechnung bezahlen soll, über den brennenden Regenwald aufregen? Wer braucht noch einen weiteren Blog über Ökologie, Naturschutz, Artensterben, vernichtete Pflanzen, ausgerottete Tiere, Klimawandel und Umweltzerstörung? Aber man kann es auch so sehen: Wenn wir uns um Natur und Umwelt NICHT kümmern, was ändert das an unseren sonstigen Problemen? Nichts ...

Mit meinem Blog für Freunde der Natur und solche, die es noch werden wollen, möchte ich – nein, jetzt kommt nicht die Phrase ‚einen Beitrag leisten zu …‘ Wir alle, ob bewusst oder unbewusst, ob positiv oder negativ, leisten ‚unsere Beiträge‘ jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde, jeden Augenblick – wir als Menschen können gar nicht anders, denn wir sind Teil des Problems, so wie wir Teil jenes Ganzen sind, das wir ohne viel darüber nachzudenken für gewöhnlich ‚Natur‘ nennen.  

Wir sind Teil des Problems. Sind wir auch Teil der Lösung? Um diese Probleme, aber auch Lösungen soll und wird es in meinem Blog gehen. Es warten genug Themen in der Pipeline. Für jemanden, der sich auch professionell damit beschäftigt – als Lehrender an der Uni Wien, als Autor, der sich zu Themen der Sozial-, Wirtschafts-, Umwelt- und Ökologiegeschichte äußerte und äußert –, war es nur eine Frage der Zeit, in eine andere Form des Gesprächs einzutreten: ein vielleicht oder hoffentlich weniger abgehobenes.

Ich werde also eine Art lockeres Tagebuch führen, über alles Mögliche (aber hoffentlich nicht über alles und nichts; und auch nicht über Gott und die Welt). Sondern über Dinge, die mir mehr oder weniger sauer aufstoßen. Oder über mehr oder weniger erfreuliche Ausnahmen von der Regel, denn leider sind es Ausnahmen und leider besagt die Regel, dass Homo sapiens egoistisch und egozentrisch, rücksichtslos und dabei auch noch erstaunlich kurzsichtig ist.   

Meine nächsten Selbstgespräche mit Zuhörern stehen bereits fest. Falls die geschätzten Leserinnen, die verehrten Leser dieses Blogs die nötige Neugier aber auch Ausdauer aufbringen, werde ich mir gestatten, mit ihnen gemeinsam nachzudenken über Umweltsünden, Klima- und Wetterkapriolen wie zum Beispiel Hitzewellen, Brände, Wassermangel und Ernteausfälle (und die ganzen bekannten Folgen wie Wirtschaftskrisen, Nahrungsmangel, Hunger, soziale Unruhen, Kriege, Flucht, Migration …). Man wird von Überbevölkerung, Bodenzerstörung, Rodungen, steigendem Jagddruck und Wilderei hören und letzte Meldungen über Artensterben, Degradation, Verwüstung, Zoonosen und Pandemien zur Kenntnis nehmen oder – je nachdem – ignorieren. Und der eine oder die andere wird vielleicht fragen: „Und was ist mit der Kultur?“ Und meine Antwort wird lauten: „Was soll damit sein? Wer die Natur misshandelt, hat auch vor Kulturdenkmälern keinen Respekt!“

Ich lade die werte Leserin, den geschätzten Leser ein, in meinen nächsten Blogs an Überlegungen zum Thema Anthropozän oder, wie manche sagen, Anthropozoikum (ist gleich ‚Zeitalter des Menschen‘) teilzuhaben. Wie steht es um das prekäre Verhältnis von Mensch und Natur – muss man NATUR nicht als das KULTURGUT schlechthin ansehen? Es gibt keine menschenleere ‚Natur‘, keine ‚Natur‘ ohne den Menschen.

INHALT - Die weiteren BLOGS auf einen Blick

Erinnerungen (die 1970-er). Eine Reise in den Sudan

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Im Dinder Park

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Wie man Wildtiere verschwinden lässt

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Naturschutz als dehnbarer Begriff: Wie man Wildtiere verschwinden lässt, Teil 2

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Umweltstadt Wien? Ökologie der Donaumetropole

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Umweltstadt Wien? Ökologie der Donaumetropole, Teil 2

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Umweltstadt Wien? Ökologie der Donaumetropole, Teil 3

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Umweltstadt Wien? Ökologie der Donaumetropole, Teil 4

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Lehren aus Sharm el-Sheikh – oder Wie man der Welt-Allmende wirklich helfen kann

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Lehren aus Sharm el-Sheikh – oder Wie man der Welt-Allmende wirklich helfen kann, Teil 2

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Postscriptum zu Sharm el-Sheikh: Montréal und das Artensterben

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Stiefkind Umweltschutz

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Schon wieder eine sogenannte Herkulesaufgabe. Montréal im Konjunktiv

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Lob der Bäume

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Fabelhaftes Stadtbaumleben

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Botanische Weltenbummler: Pflanzen & Weltsysteme

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Neue Fülle in Europas Wäldern – Botanische Weltenbummler, Teil 2

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Welt-Allmende

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Kaum Chancen für Mutter Erde

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Kaum Chancen für Mutter Erde, Teil 2

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Sagt nicht 'Bauern' zu ihnen ...

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Eine andere Geschichte der Landwirtschaft

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Klotzen, nicht kleckern! Paradoxe (?) Energiepolitik am Golf

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Wilde Wälder - winzig: Tiny Forests & Co.

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Das Imperium schlägt zurück - nichts Neues an der Ökofront

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Agrargenies des Mittelalters. Eine andere Geschichte der Landwirtschaft, Teil 2

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Sind Förster die besseren Bauern? Bundesforste, Bär & Co.

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Ein spanischer Alfred Brehm - Félix Rodríguez de la Fuente

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Wir wollen sie nicht ...! Umweltpolitische Retrospektiven - oder: Das Böse in der Natur

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Umweltpolitische Retrospektiven, Teil 2

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Sinn und Unsinn der Fundamentalökologie. Umweltpolitische Retrospektiven, Teil 3

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Wie schädlich ist ‚schädlich'? Noch einmal Noxious Wildlife

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Eigentlich ist der Umweltschutz schon tot. Er weiß es nur noch nicht

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California dreaming. Die Anfänge der Grünbewegung

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California dreaming: Whole Earth Catalog, Sierra Club & Drop City

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Ist die Hysterie berechtigt? Versuch, die Neozoen-Frage mit Hilfe der Philosophie zu entkrampfen

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Vertikales Grün. Die ökologische Zukunft der verdichteten Stadt hat schon begonnen

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In Bauernkriegen siegen selten die Bauern

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Wie wertvoll sind Antilopen? Auch eine Art Kulturgeschichte: Oryx, Taurotragus & Co.

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Assoziationen zu einer nur scheinbar heroischen Landschaft. Oder warum die Alpen dem Selbstbild der dort Wohnenden nicht entsprechen

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Bäume bäumen sich auf - mediterrane Flora im Klimawandel

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Die Zeit, in der es scheinen mochte, als hätten Natur- und Umweltschutz eine Zukunft. Abgesang mit Anlauf

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Was es heißt, Subjekt der Geschichte zu sein - oder Der unscharfe Blick des Philosophen

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Feuer, Huf & Pflug - die Sache mit dem Anthropozän

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Zurück zu BLOG # 1 vom 14. September 2022 ...

Das Jahr 2022 hat uns nicht erlaubt, Business as usual zu machen und die unangenehmen Fragen zu verdrängen – im Gegenteil. Monate lang hat uns das Thema Wald- und Buschbrände beschäftigt, europaweit und weltweit. Und das ist mehr als nur eine Fußnote zum Dauerthema Waldzerstörung. Wozu auch der Skandal gehört, dass in Europa selbst (nein, nicht in Brasilien, nicht in Indonesien – in Europa) illegale Abholzungen großen Stils in Nationalparks und Natura 2000-Gebieten an der Tagesordnung sind. Wir sprechen hier vom ‚rumänischen Skandal‘, aber nicht nur davon. Soviel zum Thema Gutes Gewissen und Heuchelei ...  

Ein anderes heißes Eisen werde ich in einem weiteren Blog anfassen – den Skandal um den Wiener Lainzer Tiergarten. Wer sich schon jetzt dazu schlau machen will, kann sich ja in einem kleinen Aufsatz dazu einen Vorgeschmack holen (siehe Uni-Forum, ‚Aus der Uni-Werkstatt‘: Liedl 2022).

Die sogenannten Ökofundamentalisten werden uns wohl auch immer wieder beschäftigen, mit ihren extremen Ansichten, inklusive Pro und Contra, wie es sich für eine sogenannt ‚ausgewogene Darstellung‘ gehört – Pro und Contra zur, wie sie genannt werden, ‚invasiven‘ Flora und Fauna: was sind Neozoen – ihre Bedeutung in der Ökologiegeschichte, für die Naturgeschichte, ja Menschheitsgeschichte. Natürlich, Tiere in Menschenhand beschäftigen mich schon sehr, sehr lange – aber wen denn nicht?

Und natürlich das Mega-Thema Landwirtschaft – vor- und nachindustriell, von der Bioboden-Genossenschaft bis zu Permakultur, Cityfarms und Urban Gardening …

Anderes Mega-Thema – die Grüne Stadt. Als gebürtiger und in der Wolle gefärbter Wiener (Motto: Right or wrong!) blicke ich um mich. Was macht meine Heimatstadt, was kann, was wird sie machen in puncto Hitze-Strategien, Klima-Masterplan, Energiefrage – was sagen uns die Begriffe Luftschneisen, Stadt- und Raumklima, Grätzelkultur und Prosumer? Oder wie halten wir’s mit Cradle to cradle, der Rohstoff-Kreislaufwirtschaft? Kleines Beispiel, feines Beispiel – die größte Baustoff-Recycling Anlage Österreichs steht derzeit in Wien …

Damit bin ich erstmal am Ende meiner Begrüßung angelangt. Und zu meiner eigenen Überraschung gleich auch noch mit einer der von mir vorhin so genannten ‚Ausnahmen von der Regel‘ konfrontiert. Umso besser. Oder mit den Worten von Christa Kummer, Wetter-Moderatorin im ORF, studierte Theologin mit Doktorat in Geographie und Wirtschaftskunde, die in ihrer Jugend Hochleistungssportlerin war: „Verantwortung übernehmen, heißt auf Veränderungen antworten. Klimakrise und Klimaveränderung fordern uns auf, die eigene Komfortzone zu verlassen, um neue Wege zu suchen und zu finden. Wir können etwas tun. Etwas verändern. Weil wir Menschen sind.“* Als Motto nicht mal so übel. Und Ansporn zu weiteren – jetzt nenne ich das Ding also doch noch beim Namen – ‚Beiträgen‘. Auf baldiges Wiedersehen, auf baldiges Weiterlesen!

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* Quelle: Niederösterreich Magazin 1 / 2022, S. 6

Die Reihe zum Blog: Ökologiegeschichte. Ein Reader zum interdisziplinären Gebrauch

Bisher bei Turia + Kant erschienen:

Band 1 – Gottfried Liedl: Das Anthropozoikum

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Erweiterte Neuauflage von Band 1 (Teilbände 1.1., 1.2., 1.3.):

Gottfried Liedl: Das Zeitalter des Menschen

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Teilband 2/1 – Gottfried Liedl, Manfred Rosenberger (Hg.): Zivilisationen

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Teilband 2/2 – Gottfried Liedl, Manfred Rosenberger (Hg.): Naturdinge, Kulturtechniken

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Band 3 - Gottfried Liedl | Patrick Bichler | Michael Kloiber (Hg.): ÖKOLOGIE DER STADT. Wiener Stadtplanung und urbane Umweltpolitik im Vergleich,

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Rezension:

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Band 4 - Gottfried Liedl: DER MENSCH IST EIN BEUTEGREIFER. Unzeitgemäßes zur Ökologie. Ein Essay.

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